Das Internat
einmal als Säugling."
"Tansy, es tut mir leid."
"Tut es dir leid, dass du nie von meiner Mutter gesprochen hast? Dass du all deinen Kummer auf Ivy konzentriert hast und mir das Gefühl gegeben hast, dass ich meiner wunderschönen älteren Schwester nie ebenbürtig sein könnte?" Tansy stieß die Worte inzwischen mit einem hysterischen Unterton hervor.
"Das ist nicht wahr", beharrte er.
"Oh, aber es war so. Der einzige Weg, deine Aufmerksamkeit zu erlangen, war, alles zu sein, was Ivy nicht war. Ich musste ihr extremes Gegenteil sein."
Ihr extremes Gegenteil, wiederholte Mattie in Gedanken. Tansy war eine gemeingefährliche Mörderin, während Ivy keiner Fliege etwas hätte zuleide tun können. Außerdem lag Tansy falsch. Sie glaubte, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben sei. Die Aufzeichnungen belegten etwas ganz anderes – Cynthia Grace war nicht schwanger gewesen, als sie starb.
Tansy entsicherte die Pistole, ein Geräusch, das von den Glasflächen im Zimmer widerhallte. Ein Lächeln umspielte Tansys Mundwinkel, als sie einen Schritt auf ihren Vater zuging.
"Die Leute halten mich für den guten Samariter, weil ich William Broud vor dem Todesurteil gerettet habe", sagte sie, "tatsächlich habe ich es für dich getan. Es gab keinen anderen Weg, um Jane Mantle mit dem Mord in Verbindung zu bringen und ihren Ehemann aus dem Weißen Haus zu zwingen."
"Wer hat Broud denn getötet?"
Grace stellte die Frage, über die Mattie gerade nachdachte.
Nichts als Verachtung spiegelte sich auf Tansys Gesicht. "Soweit es mich betrifft, hat er sich selbst getötet. Broud hat alles, was ich für ihn getan habe, als selbstverständlich hingenommen. Und er hat sein Versprechen gebrochen, Stillschweigen zu bewahren. Als ich meine Hausarbeiten erst mal erledigt hatte, war es ein reines Kinderspiel. Sein Tod war ein weiteres willkommenes Mittel, um Jane und ihre Freundinnen reinzureiten, deshalb habe ich auch das gleiche Gift benutzt wie bei Millicent Rowe. Nicht schlecht, oder?", fragte sie ihren Vater. "Ich bin immer einen Schritt voraus."
Geradezu versteinert, blieb Grace stumm. Entweder hatte er nicht gewusst, dass seine Tochter für ihn einen Mord begangen hatte, oder er hatte es verdrängt. In jedem Fall genoss Tansy jetzt seine volle Aufmerksamkeit.
"O'Neill musste sterben, nachdem seine Erpressung bekannt wurde", erzählte sie ihm. "Das hast du doch sicher verstanden? Wie hättest du dich danach noch freikaufen können? Und jemand musste sich ja das Videoband holen."
Grace konnte nichts tun, außer seine Tochter anzustarren.
"Es ist in Ordnung", beruhigte sie ihn. "Niemand wird erfahren, dass du in diese Geschichte verwickelt bist. Ich habe dafür gesorgt, dass es wie Selbstmord aussah."
"Tansy, nein … Es ist doch nicht wahr, was du da sagst. Das kann nicht wahr sein!"
"Oh, und ob es das ist. Es war leicht, Vater, so verdammt leicht. Ich habe ihm eine Pistole an den Kopf gehalten und ihn gezwungen, die Schlaftabletten mit Scotch hinunterzuspülen. Wie ein Baby hat er geheult, aber er hat es getan. Ich habe ihm das Gegenmittel, den Brechwurzelsirup, erst gezeigt, als er alles geschluckt hatte. Ich habe ihm versprochen, dass ich es ihm gebe, wenn er mir das Video aushändigt. Natürlich hab ich mich nicht daran gehalten."
"Oh Gott, Tansy."
"Was hast du erwartet? Mir gegenüber hast du zugegeben, dass dich Menschen bedrohen und erpressen. Hast du gedacht, ich unternehme nichts dagegen?"
Grace flehte sie an, aufzuhören. Tansy schien nicht stoppen zu können.
"Ich bin ans Telefon gegangen", sagte sie, "und habe mitgehört, wie ein Mann dich bedrohte. Das war am Tag nach meinem sechzehnten Geburtstag. Es hat zwei Wochen gedauert, bis ich den Mut aufbrachte, mit dir darüber zu reden, aber du hast mir die Wahrheit gesagt. Du hast zugegeben, dass du mit der Direktorin von Rowe eine Affäre hattest. Und als Jane Dunbar zu dir kam, hast du ihr geholfen, den Mord zu vertuschen. Du hast gesagt, dass der Staatsanwalt dich erpresst und du keine andere Wahl hättest, als zu zahlen."
Während Tansy sprach, veränderte sich ihre Miene langsam. Ihre Augen leuchteten wie die eines stolzen Kindes, ihre Stimme wurde weicher.
"Erinnerst du dich? Du hast mir mal gesagt, dass die schlimmen Dinge, die man erlebt, immer eine Lehre enthalten. Eine Lektion, die ich lernen müsse, hast du gesagt, und jetzt könnte genau so ein Moment gekommen sein. Du hast mir vorhergesagt, dass die Leute versuchen würden, mich zu
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