Das Internat
träumte nicht. Es war Miss Rowe, und sie hatte ein Messer in der Hand.
Mattie rutschte näher an die Wand, an dem das Bett stand. Sie kauerte sich in eine Ecke, machte sich so klein wie möglich. Sie konnte nicht laut genug schreien, niemand würde sie hören. Erst vor ein paar Tagen war sie ihrem Versteck entkommen, und ihre Zunge war immer noch geschwollen.
Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. In einem nahe gelegenen Geräteschuppen hatte sie einen Schraubenschlüssel gefunden und sofort unter ihrem Bett versteckt. Aber er war außer Reichweite, und die Direktorin viel zu nah.
Mattie starrte die furchterregende Gestalt an und konnte immer noch nicht glauben, dass es Miss Rowe war. Sie trug einen glänzend schwarzen Morgenrock. Aus dem Zopf, den sie normalerweise zu einem Knoten aufgesteckt trug, hatten sich Strähnen gelöst. Im Mondlicht sahen diese Strähnen wie weiße Drähte aus. Miss Rowe war immer in jeder Hinsicht perfekt gewesen, von ihrer Erscheinung bis zu ihren Manieren. Dieselbe Perfektion erwartete sie von ihren Schülerinnen. Was war mit ihr geschehen?
Die Schulleiterin durchbrach die Stille plötzlich mit einem unheimlichen Kichern.
"Versuchst du, dich zu verstecken, Matilda? Wie lächerlich. Was hast du gedacht, würde ich mit dir machen? Dich erstechen?"
Sie hielt das silberne Objekt hoch und zeigte Mattie, dass es sich dabei um einen Brieföffner handelte. "Ich habe nur versucht, dich zu wecken. Ich finde, wir sollten uns mal ein bisschen unterhalten."
Mattie kauerte sich noch mehr zusammen. Sie wusste, dass ihr Schlaf-T-Shirt die Beine entblößte, aber sie konnte sich mit nichts anderem schützen. Das könnte ein Trick sein. Rowe könnte ihr in den Bauch stechen, sobald Mattie die Position änderte.
Eine Drohung schlich sich in Miss Rowes Grinsen. "Nun gut", sagte sie mit tiefer, zitternder Stimme. "Wenn du darauf bestehst, albern auszusehen, dann bitte schön. Aber du bist wirklich ein dummes, kleines Mädchen."
Mattie wollte krächzen, dass sie klug genug sei, keinen verrückten Menschen mit spitzen Gegenständen zu vertrauen. Aber sie wusste, dass sie sich unter diesen Umständen besser nicht mit Rowe anlegte.
"Es ist an der Zeit, dass wir eine Einigung finden", sagte die Direktorin, "und da du dich nicht an die Schulregeln hältst, bin ich gezwungen, kreativ zu sein."
Sie zog Matties Rucksack hervor. Offensichtlich hatte sie in Matties Schrank herumgeschnüffelt. Mattie hielt den Rucksack seit längerem dort versteckt, und jeden Tag hatte sie ihn mit Vorräten aus der Cafeteria gefüllt.
"Wenn du daran denkst, abzuhauen, Matilda, dann überleg es dir gut. Wenn du das tust, werde ich deine Freundinnen unaussprechlichen Qualen aussetzen. Und ich werde dich finden und an den Haaren zurückzerren, damit du zusehen kannst. Das solltest du wissen. Ich finde dich überall."
Sie ließ den Rucksack auf den Boden fallen. Das Geräusch von splitterndem Glas ließ Mattie zusammenzucken. Sie hatte auch Geschirr darin versteckt.
"Sch…sch…sch…" Das Wort blieb Mattie im Halse stecken.
Scheiße.
Erschrocken zuckte sie zurück, als der Brieföffner plötzlich auf ihr Gesicht zuschoss. Sie hörte, wie die Klinge die Luft durchschnitt.
Miss Rowe baute sich über ihr auf und sprach zischend wie eine Schlange auf sie ein. "Es ist mir todernst, du dumme, schlampige Göre. Und wenn du irgendwem von diesem Gespräch erzählst – wenn du irgendetwas ausplauderst –, werden deine drei Freundinnen einen Unfall haben. Einen tödlichen Unfall. Sie werden sterben, eine nach der anderen, und die erste wird Ivy sein."
Ungläubig schüttelte Mattie den Kopf. Miss Rowe war verrückt geworden. Seit sie aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt war, benahm sie sich immer seltsamer. Jetzt drohte sie, Menschen umzubringen? Vielleicht hatte sie schon mehrere um die Ecke gebracht und in den Wänden versteckt.
Drohend streckte die Direktorin den Arm aus und rollte den Ärmel ihres Bademantels hoch. Mattie beobachtete in stiller Panik, wie Miss Rowe das scharfe Ende des Brieföffners über ihre blasse Haut zog. Ein dünner Blutstreifen zeichnete sich ab. "Ich habe keine Angst vor Schmerzen, Matilda. Und wie du weißt, habe ich auch keine Angst davor, anderen Schmerzen zuzufügen."
Ihr Lächeln war plötzlich milde, so als hätte sie gerade eine Zeremonie beendet. Mattie wurde schlecht bei dem Anblick. Sie erschrak, als Miss Rowe sich zu ihr beugte und in sanftem, gütigem Tonfall sprach. "Natürlich wirst
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