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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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du es keiner Menschenseele erzählen, nichts hiervon, nichts von dem Mann, zu dem du so unhöflich warst, gar nichts." Fast liebevoll tätschelte sie Matties Gesicht. "Ich bin da wirklich zuversichtlich, Matilda. Du darfst es allerdings deinen Freundinnen sagen. Ehrlich gesagt, zähle ich darauf, dass du es tust. Sie müssen die Regeln ja auch verstehen."
    Rowes Gesicht war gerötet, und ihr Atem ging stoßweise, als sie sich zur Tür wandte. Fast genauso plötzlich, wie sie erschienen war, verließ Miss Rowe die Krankenstation. Mattie floh ins Badezimmer, den Schmerz in ihrem Knie ignorierend. Sie musste sich übergeben, und sie mochte sich kaum vorstellen, was die Magensäure ihrem wunden Mund antun würde.
    Stets wählte Ivy White Kleidung, in der sie sich unsichtbar fühlte. Heute war es ein grob gestrickter grauer Rollkragenpulli, kombiniert mit einer ausgewaschenen Jeans, die zwei Nummern zu groß war. Aber sosehr sie auch versuchte, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, man sah sie trotzdem. Vielleicht lag es daran, dass sie sich auf eine so merkwürdige Weise an der Wand entlangdrückte, jedenfalls zog Ivy die Aufmerksamkeit auf sich wie ein Magnet. Manchmal war sie sicher, dass ihre Klassenkameradinnen nur darauf warteten, sie in Verlegenheit zu bringen und ihr gemeine Worte an den Kopf zu werfen.
    "Womit kämmst du dir die Haare, White? Mit einer Harke?"
    "Hast du dir die Hose mit Schokoriegeln ausgestopft, Fettarsch?"
    Sie wollten, dass sie sich übergewichtig und hässlich fühlte, aber Ivy wusste, dass nichts davon auf sie zutraf. Sie war nicht so kantig und geschmeidig wie Mattie oder so offensichtlich hübsch wie Breeze, aber sie wusste Bescheid über ihre eigene ätherische Schönheit. Die Leute sagten es ihr ja ins Gesicht. Fremde sprachen sie deshalb auf der Straße an. Es gab kein Entkommen, und vielleicht war sie deshalb so bestrebt, sich schäbig zu kleiden, mit ausgebeulten Hosen, oder sich einen Tag den Bauch mit Süßigkeiten vollzuschlagen, nur um den nächsten Tag zu hungern. Um die Vollkommenheit zu verbergen? Oder um das Hässliche zu enthüllen, das sie verbarg?
    Heute Morgen war sie nur bis zu Matties Zimmer gekommen. Dort trafen sie sich, um gemeinsam zum Frühstück in die Cafeteria zu gehen. Für Ivy war das der beste Teil des Tages. Sie war sich nicht sicher, wie Zusammengehörigkeit sich anfühlte. Aber sie stellte sich etwas Ähnliches vor wie die Wärme, die sie spürte, wenn sie mit Mattie, Jane und Breeze zusammen war.
    In der Schule war Ivy nicht besonders gut, außer in Kunst. Sie liebte es, Kreideskizzen anzufertigen, und stellte verblüfft fest, dass ihr Vater das guthieß. Dass er an ihren Zeichnungen irgendetwas Gutes finden könnte, hatte sie nicht erwartet. Er war der klassische Workaholic, der von seiner Tochter denselben Ehrgeiz forderte.
    Ivy sah eine kleine Gruppe Mädchen auf sich zukommen, also spurtete sie zu Matties Tür und schlüpfte hindurch. Ein kleiner Flur führte zum Zimmer. Vor den Blicken der anderen geschützt, blieb sie stehen und hörte ihr Herz pochen, während die Schülerinnen draußen vorbeizogen. Als sie weg waren, erregten die flüsternden Stimmen von drinnen Ivys Aufmerksamkeit. Ivy hörte ihren Namen und fragte sich, ob über sie gesprochen wurde. Sie stellte sich so nah an die Tür, dass sie alles verstehen konnte.
    "Das können wir Ivy nicht sagen. Sie wird sich zu Tode erschrecken."
    "Rowe droht, sie umzubringen, und wir sollen ihr nichts sagen?"
    "Ivy ist die Schwächste von uns allen. Deshalb hat Rowe sich entschieden, sie zuerst zu töten. Sie weiß, dass wir alles tun würden, um Ivy zu beschützen. Jetzt haben wir keine andere Wahl, als Rowes ekelhaften Regeln zu gehorchen. Sie weiß das."
    Ivy erstarrte. Diejenige, die ihr es nicht sagen wollte, war Mattie. Ivy erkannte ihre krächzende Stimme. Es dauerte einen Moment, bis sie die grausame Neuigkeit begriffen hatte. Sie war die Außenseiterin, wo immer sie auch war, sogar unter ihren Freundinnen – die Schwache, die Zielscheibe, und sie mussten sich ihretwegen opfern. Jetzt war es schon so schlimm, dass Miss Rowe drohte, sie umzubringen und die anderen vielleicht auch.
    Sie schlich aus Matties Zimmer und rannte den Flur hinunter. Dabei fegte sie an einer kleinen Gruppe tratschender Mädchen vorbei. Sie alle drehten sich um und sahen Ivy an, aber keiner sagte etwas. Vielleicht sah Ivy White diesmal zu verrückt aus.
    In ihrem Zimmer angekommen, ging sie direkt zu dem großen Schrank und

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