Das Internat
verstehen, und vor allem wollte Jane wissen, was mit ihr nicht stimmte, damit sie es abstellen konnte.
Als sie so dasaß, gegen die Wand gesunken, stieg Wut in ihr auf. Jane akzeptierte Versagen genauso wenig wie Verzweiflung. Vielleicht war sie nicht mit dem Wissen um Geheimnisse zur Welt gekommen, die Frauen über Männer und Sex kennen sollten, aber sie könnte es lernen. Und sie lernte verdammt schnell.
"Warum heißt es eigentlich Schwanz? Männer sind doch keine Hunde."
Breeze zuckte bei der Frage ihrer Freundin zusammen. "Man nennt es Erektion, Jane. Das musst du unbedingt behalten, wenn man dich jemals auswählt."
Heiße, rote Flecken brannten auf Janes Wangen. Sie zeigte Jane den Mittelfinger und bemühte sich, gelassen zu wirken, aber Breeze konnte in ihren Augen sehen, dass sie sie verletzt hatte – und bedauerte ihre Worte sofort. Sie sollte die Mädchen vermutlich lieber nicht in die Feinheiten der männlichen Anatomie einweisen. Miss Rowe hatte ihr befohlen, Stillschweigen über die "Dates" zu bewahren, speziell den ängstlichen Mädchen gegenüber. Aber so wie die Freundinnen ihr förmlich an den Lippen hingen, war es einfach zu verlockend, ein bisschen was auszuplaudern. Das erste Mal in ihrem Leben fühlte Breeze sich wichtig.
Sie war nicht so stark wie Mattie, und sie bekam nicht so gute Noten wie Jane. Ihr Ruhm beschränkte sich darauf, dass sie mehrmals ausgewählt worden war, öfter als alle anderen, und sie war gerade von ihrem vierten "Blind Date" zurückgekehrt. Irgendwie hatte sie das zu einer Expertin für Männer gemacht, und ob es nun stimmte oder nicht, es fühlte sich einfach gut an.
"Ist es nicht komisch, eine Augenbinde zu tragen?", fragte Jane.
"Nur am Anfang." Breeze zuckte die Schultern, als ob das für sie bereits Routine wäre. "Es geht ja dabei nicht um eine schmutzige Sextechnik, wenn es das ist, was ihr denkt. Es soll nur die Identität des Mannes schützen."
"Ja, klar", spottete Mattie. "Bei der ganzen Sache geht es doch einzig und allein um schmutzigen Sex, Breeze. Denk doch mal nach!"
"Nein, das stimmt nicht. Der Mann heute war wirklich süß." Verglichen mit ihren ersten zwei Männern, stimmte das jedenfalls. Ein flaues Gefühl schlich sich Breeze in den Magen, als sie an ihr erstes "Date" dachte, wie Miss Rowe es nannte. Die Direktorin hatte ihr verboten, den anderen Mädchen zu erzählen, dass der Mann sie, gegen Miss Rowes Regel, in ein Motel gebracht hatte.
Abgesehen von Ivy, die von einem Mann in einer Limousine abgeholt worden war, sollten die Mädchen Miss Rowe in dem Gebäudetrakt treffen, in dem die Vorstellungsgespräche stattfanden. Dort wurden ihnen die Augen verbunden, dann führte Miss Rowe sie in den Raum, in dem der Herr wartete. Breeze hatte das Zimmer natürlich nie gesehen, aber sie hatte Stoffe wie Samt und Leder gespürt und stellte sich vor, dass es wie ein viktorianischer Salon aussah.
Aber dieser Mann hatte Breeze auf dem Weg zum Gebäude abgefangen. Von hinten hatte er sich angeschlichen und ihr die Augen verbunden. Er hatte ihr erzählt, dass sie woanders hingehen würden und dass Miss Rowe dem zugestimmt hätte. Erst als es zu spät war, hatte Breeze gemerkt, dass Miss Rowe nichts davon wusste und dass er auf Bestrafungsspiele stand. Er hatte so hart zugeschlagen, dass ihr Tränen in die Augen gestiegen waren.
"Junges Fräulein, der Rock ist unanständig kurz", hatte er gesagt, sobald sie im Raum waren. "Du brauchst ein paar ordentliche Schläge." Er hatte sie angewiesen, sich wie eine Fünfjährige über seine Knie zu beugen. Dann hatte er ihr Höschen heruntergezogen und ihr mit einem Tischtennisschläger die nackte Haut versohlt. Wäre sie nicht so schockiert und beschämt gewesen, hätte sie fest zugebissen. So war sie erst geflüchtet, nachdem er im Badezimmer verschwunden war, vermutlich um sich selbst zu befriedigen, und dann war sie den ganzen Weg zum Schulgelände zurückgerannt. Dort hatte Miss Rowe ihr fünfzig Dollar Schweigegeld gegeben und ihr versprochen, dass so etwas nie wieder passieren würde.
Nach diesen Ereignissen hatte Breeze erkannt, dass sie etwas Macht gewonnen hatte. Geld? Versprechungen? Breeze wäre weniger überrascht gewesen, wenn Miss Rowe ihr eine Pistole an den Kopf gehalten und sie mit dem Tode bedroht hätte. Das einzige Mal, dass die Direktorin sich ähnlich freundlich verhalten hatte, lag lange zurück. Im ersten Semester hatte Miss Rowe ihnen erklärt, wie man sich Vorteile im Leben und anderen
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