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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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Halterungen im Schloss auf einmal unter Druck zu setzen. Einen fünffach verschraubten Bolzen konnte er so leicht aushebeln. Glücklicherweise hatte er es jetzt mit genau so einem Schloss zu tun.
    Sobald er entschieden hatte, wie viel Krafteinwirkung nötig sein würde, begann er. Nach zwei Minuten hatte er die Schrauben gelöst und das Schloss ausgehebelt. Viel zu lang für einen Einbrecher. Für seine Zwecke reichte es.
    Das Bett, in dem jemand geschlafen hatte, und der Fußboden waren mit Kissen und Decken bedeckt. Eine leere Wasserflasche lag auf dem Boden neben dem Papierkorb, auf dem Nachttisch befanden sich zusammengeknüllte Verpackungen von Schokoriegeln. Davon abgesehen, konnte Jameson nichts von einem Bewohner entdecken.
    Nach einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass er etwas früh dran war, und entschloss sich, wieder hinauszugehen, um in der Eingangshalle zu warten. Das Treffen war auf zwölf Uhr angesetzt. Und das Letzte, was Jameson wollte, war, zu früh als unwillkommener Gast einzutreffen. Das hier war zu wichtig. So viel von Jamesons Vergangenheit steckte in diesem Raum.
    Als er gehen wollte, bemerkte er, dass die Tür zum Badezimmer nur angelehnt war. Unfähig zu begreifen, was er sah, blieb Jameson stehen. Der nackte Fuß eines Mannes lugte hinter der Badezimmertür hervor. Dort lag jemand auf dem Boden, Jameson reagierte wie jeder Zeuge eines furchtbaren Unfalls. Sogar als er auf die Tür zuging, wollte er nicht hinsehen.
    Verzweiflung, Furcht. Die Hoffnung zerriss ihm das Herz.
    Er war schweißgebadet.
    Als die Tür gegen einen menschlichen Körper prallte, stieß Jameson einen verzweifelten Seufzer aus. Er quetschte sich durch die Öffnung und sah einen großen, schlaksigen Mann auf dem Boden liegen. Wie ein Kind hatte er sich um das Toilettenbecken zusammengerollt. Es sah aus, als ob er friedlich schliefe, aber als Jameson sich zum Boden beugte und sich neben ihn kniete, konnte er eine Grimasse sehen. Es war nichts Friedliches. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
    "Oh Gott, Billy", flüsterte er. "Was hast du getan?"
    Jameson berührte das blauschwarze Haar seines Bruders, das Einzige, was die Geschwister gemein hatten, abgesehen von ihrer Größe. Er strich über das kalte, unbewegliche Gesicht und prüfte, ob er atmete.
    Er tat es nicht. Billy Broud war gestorben. Er war aus dem Todestrakt entlassen worden, nur um in einem dreckigen Hotelzimmer unweit der Gegend zu sterben, in der er aufgewachsen war – dem gleichen Ort, in dem er verunglimpft und fälschlich wegen Mordes verurteilt worden war.
    Jameson war, als zerbräche sein Herz. Mehr als zwanzig Jahre ungeweinter Tränen brannten in seinen Augen und in seiner Kehle. Die Familie hatte Billy schon Jahre vor seiner Verurteilung enterbt. Mit dem Vater war er nie ausgekommen, einem humorlosen Vertreter für Lebensversicherungen, der sonntagmorgens in der Nachbarschaftskirche zu predigen pflegte. Als Billy ein Teenager war, schwänzte er regelmäßig die Schule, experimentierte mit Drogen und kam mit dem Gesetz in Konflikt. Mit sechzehn wurde er, nachdem er die Frau eines Nachbarn geschwängert hatte, als reueloser Sünder von zu Hause verstoßen.
    Was Jameson am meisten bedauerte, war, dass er damals ebenfalls den Kontakt zu Billy abgebrochen hatte. Er hatte sich auf die Seite seines strengen Vaters gestellt und sich von seinem Bruder abgewandt, als Billy ihn am nötigsten brauchte. Kein Familienmitglied war während der Verhandlung im Gerichtssaal erschienen. Jameson wusste, dass er einen furchtbaren Fehler gemacht hatte. Er schrieb Billy und wollte ihn in San Quentin besuchen. Aber Billy hatte angefangen, sich William zu nennen, und leugnete, dass er einen Bruder hatte. Er hatte keine Familie.
    Jameson hatte sich geschworen, zu Billy durchzudringen und ihn um Vergebung zu bitten. Jetzt war es zu spät.
    Er setzte sich und zog das Handy aus seiner Jackentasche. Tränen ließen seinen Blick verschwimmen. Die Zahlen auf der Tastatur konnte er nicht erkennen. Er schluckte den Schmerz hinunter, der in seiner Kehle saß. Alles, was er tun wollte, war den Notruf zu wählen, aber seine Finger versagten ihm den Dienst.
    "Warum hier, Billy? Warum ausgerechnet in dieser stinkenden Absteige?"
    Jameson konnte keine Anzeichen für Mord erkennen. Er fürchtete, dass sein Bruder sich das Leben genommen hatte. Über mögliche Gründe, die Billy zu diesem Zeitpunkt zum Selbstmord getrieben hatten, wollte er nicht nachdenken. Er war ein freier Mann. Das

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