Das Internat
irgendwie sexy und hatte das Quietschen eines heranwachsenden Jungen.
"Hier ist Tansy Black! Entschuldigung! Ich weiß ganz genau, wer Sie sind. Ich war so verdammt aufgeregt, einen Anruf von der berühmten Richterin Smith zu bekommen, dass ich nicht an den Zeitunterschied gedacht habe."
"Berühmt? Berüchtigt vielleicht." Mattie wollte nicht lächeln, aber sie konnte nichts dagegen tun.
"Soll ich Sie in ein paar Stunden anrufen?", fragte Black.
"Nein, ist schon in Ordnung." Mattie warf die Bettdecke zur Seite und schaltete das Licht an. "Ich bin schon wach."
Die Verbindung knackste, aber Mattie konnte Blacks Stimme verstehen. "Was kann ich für Sie tun?", fragte sie. "Es wäre mir ein Vergnügen, Ihnen behilflich zu sein."
Um ihren Kreislauf in Schwung zu bringen und die Gedanken zu ordnen, stand Mattie auf. Sie verfolgte verschiedene wichtige Ziele mit diesem Telefonat. Einerseits hoffte sie, so viele Informationen wie möglich über William Broud und seine Gerichtsverfahren zu bekommen – über die Verhandlung, die ihn ins Gefängnis gebracht hatte, und über das Verfahren, das ihn wieder hinausbefördert hatte. Andererseits wollte sie herausfinden, was Black über die einsamen Mädchen wusste, wenn sie überhaupt davon gehört hatte.
Als Brouds Anwältin hatte Black Zugang zu mindestens einigen der versiegelten Polizeiaufzeichnungen, Gerichtsprotokollen und forensischen Beweisen. Mattie wusste nicht, ob sie und ihre Freundinnen in den Berichten erwähnt wurden. Um sich und die anderen vor Cross – und vor dem, was möglicherweise noch auf sie zukommen würde – zu schützen, brauchte sie diese Informationen. Und Mattie musste es so arrangieren, dass Black keine neuen Details erfuhr, die sie nicht sowieso schon kannte.
Das Wichtigste von allem wäre vermutlich die Klärung der Frage, ob Black ein Freund oder ein Feind war. Mattie warf einen Blick auf ihre Fingernägel und widerstand der Versuchung, daran zu knabbern. Einen Feind schnell zu erkennen, würde in den kommenden Tagen überlebensnotwendig sein. Ihre Ausbildung in Verhaltenspsychologie und Rechtswissenschaften würde ihr dabei helfen, aber sie würde auch Disziplin und Konzentration brauchen.
"Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg im Fall Broud", sagte sie und fragte sich, ob Black die Nachricht von dem Tod ihres Klienten bereits erhalten hatte. Es war möglich, dass sie in Europa davon noch nicht erfahren hatte. Mattie entschied sich, es nicht zu erwähnen. "Ich habe einen ähnlichen Antrag auf Haftprüfung vorliegen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn zulassen soll. Könnten Sie mir sagen, warum sie sich entschlossen hatten, den Fall anzunehmen?"
"Das war leicht", erklärte Black. "Mit der ursprünglichen Untersuchung dieses Falls habe ich mich schon am College beschäftigt. Es sollte eine Gruppenarbeit sein, aber es dauerte Jahre und bedurfte verschiedener gerichtlicher Anordnungen, bis die Akten endlich zugänglich waren. Zu dem Zeitpunkt hatten sich alle anderen von dem Fall verabschiedet. Aber ich hatte schon so viel Zeit investiert, dass ich dachte, es macht keinen Sinn aufzugeben. Bei so etwas bin ich etwas starrköpfig."
"Manche Menschen würden das aber auch als Heldentum bezeichnen."
"Ich war nicht heldenhaft, sondern habe nur praktisch gedacht." Black lachte. "Außerdem hat mich der Prozess fasziniert. Die Anklage war voller Unstimmigkeiten und die Verteidigung meiner Meinung nach jämmerlich schlecht, also sah es so aus, dass eine Berufung gute Chancen haben würde."
"Unstimmigkeiten?" Deswegen hatte Mattie sie angerufen.
"Die Eile bei der Verurteilung war atemberaubend. Niemand hat nach anderen Verdächtigen gesucht. Außerdem wurden einige Beweise vom Tatort unter den Tisch gekehrt, die der Verteidigung gedient hätten."
"Entlastende Beweise? Was zum Beispiel?"
"Man fand am Tatort eine Videoausrüstung mit einer Reihe von Lehrvideos, und eines davon fehlte. Eine spätere Durchsuchung förderte eine Auflistung zutage, die das fehlende Band als Miss Rowes private Sozialstudien identifizierte. Vielleicht war es nicht von Bedeutung. Aber Broud behauptete, dass die Direktorin einen Sexring geleitet hätte."
Mattie wusste über die Bänder Bescheid. Sie stammten aus den Etikette-Stunden, an der Entstehung der Aufnahmen war sie selbst beteiligt gewesen. Die Sammlung enthielt alles: von Umgangsformen bis zu Verhaltensregeln mit dem anderen Geschlecht. Nur hatte Mattie nie von einer privaten Studie gehört.
"Wurden die
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