Das Internat
Miss Rowes Apartment betreten durften, in ihr privates Leben eingeweiht wurden. Einmal hatte die Direktorin sogar über den Mann in ihrem Leben gesprochen, aber Mattie erinnerte sich an nichts Spezifisches, das ihr jetzt weiterhelfen könnte. Sie konnte nur annehmen, dass sonst niemand etwas von ihm wusste, sonst wäre sein Name während der Verhandlung gefallen.
Etwas später, während sie döste, kamen ihr Dinge in den Sinn, an die sie sich nicht hatte erinnern können, als sie es angestrengt versucht hatte. Dass das Gehirn ihr prompt dann den Dienst verweigerte, wenn sie es am nötigsten brauchte, frustrierte Mattie. Aber jetzt wirbelten die Gedanken durcheinander, und kleine Fetzen der Erinnerung schwammen zurück in ihr Bewusstsein. Papierschnitzel? Ein Brief, geschrieben von Miss Rowe?
Vielleicht war das der Schlüssel, und Mattie könnte die Einzige sein, die in der Lage wäre, ihn zu finden. Sie musste mit Breeze sprechen.
Sie kletterte aus dem Bett, schlich sich auf Zehenspitzen den Flur hinunter und öffnete die Tür zum Gästezimmer. Das Letzte, was sie erwartet hatte, war ein leeres Bett.
Als sie die Nachttischlampe anknipste, sah sie eine handgeschriebene Notiz auf dem Kissen. "Bin im 'Vier Jahreszeiten'. Alles Liebe, B."
Jameson wachte von dem Geräusch brutzelnder Spiegeleier in der Pfanne auf, Musik in den Ohren eines hungrigen Mannes. Ein Nest winziger Spinnen tanzte vor seinen Augen, obwohl sie nicht wie Spinnen aussahen. Es wirkte eher wie Schnee … oder ein schlechter Fernsehempfang. Er rieb sich die Augen, die sich sofort mit Tränenflüssigkeit füllten und brannten.
Es ist der Fernseher, stellte Jameson fest, sobald er klar sehen konnte. Es hatte nur nach Eiern in der Pfanne geklungen. Sein Magen knurrte, als er nach der Fernbedienung griff, um den Videorekorder abzustellen. Dass es noch früh war, erkannte er mit einem Blick auf die Uhr. Die ganze Nacht hatte er Bänder angesehen, eine Lehrstunde nach der anderen aus Miss Rowes bizarrer Kollektion. Offenbar war er irgendwann mit offenen Augen eingeschlafen – eine Fähigkeit, die er sich im College angeeignet und die ihm durch die Morgenstunden geholfen hatte. Mit viel Kaffee hatte er damals die Zeit bis zum Mittagessen überbrückt, erst danach war er richtig wach gewesen und hatte am geschäftigen Treiben teilgenommen. In einer Welt voller Frühaufsteher war Jameson ein nachtaktiver Außenseiter gewesen, eben eine echte Nachteule.
Er schaltete den Fernseher aus und ging, auf der Suche nach etwas Essbarem, in die Küche. Eier kamen ihm in den Sinn, wahrscheinlich wegen des Geräusches, das ihn geweckt hatte. Seit er das erste Band in den Videorekorder geschoben hatte, war er nicht aus dem Raum gegangen. Er hatte fast einen ganzen Karton Kassetten geschafft, vorgespult, wenn es das Material erlaubte, und inzwischen so viel über Miss Rowes Lebens- und Lernphilosophie erfahren, dass er sich fragte, warum sie nicht früher ausgeschaltet worden war.
Ein schöner Kopf mit verdrehtem Hirn saß der Schulleiterin auf ihrem langen, eleganten Nacken. Ernsthaft verdreht, seiner Meinung nach. Die Bänder dokumentierten elitäre Ansichten und gaben Hinweise auf sadistische Lehrmethoden. Er bezweifelte nicht, dass sie größenwahnsinnig gewesen war oder dass die Videoaufnahmen keinem Lehrzweck gedient hatten. Einzig zur Befriedigung ihres Egos waren sie gedacht gewesen. Vielleicht hatte genau dieses Ego schließlich zu ihrem Tod geführt.
Jamesons Küche war schlicht und modern – hauptsächlich rostfreier Stahl mit Teakholz und Granit. Nicht gerade gemütlich, aber sauber und rational. Eine Innenarchitektin hatte den Raum mit vielen grünen Pflanzen aufgelockert, die Gott sei Dank von den Reinigungskräften gegossen wurden. Darüberhinaus hatte die Architektin leuchtend rote Tischsets eingesetzt und Barhocker mit gedrehten Eisenfüßen und roten Ledersitzen. Jameson mochte den Bereich, und er kochte häufig, so rudimentär seine Talente auf dem Gebiet auch waren.
Während er ein paar Eier am Pfannenrand aufschlug, kehrten seine Gedanken zurück zu den Aufzeichnungen. Besonders die Tatsache, dass ein Band zu fehlen schien, beschäftigte ihn – das letzte aus der Sammlung war verschwunden. Er plante, mit jedem zu sprechen, der in irgendeiner Weise damit zu tun gehabt hatte und immer noch in der Gegend lebte. Mit Lane Davison wollte er anfangen, die mit einem Freund von ihm verheiratet war, mit Frank O'Neill, dem Bezirksstaatsanwalt. Lane
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