Das Internat
eine Serviette.
"Ich habe von einem Beweis erfahren, der nie in der Verhandlung des Falls James Broud aufgetaucht ist", sagte Mattie. "Und wenn ich richtig liege, könnte das unsere Hintern retten. Das Ärgerliche ist nur, dass der Beweis verschwunden ist."
Jane zuckte, als ob es einen Kurzschluss in ihrem Nervensystem gegeben hätte. Breeze hörte auf zu malen.
"Wovon redest du?", fragte Jane. "Was für ein Beweis?"
"Ein Videoband aus Miss Rowes Sammlung. Es ist seit der ersten Verhandlung verschwunden."
"Woher weißt du das?"
Die alte Jane war wieder da, die Mattie mit Fragen löcherte und mit misstrauischen Blicken verfolgte. Mattie spürte, wie ihre Energie zurückkehrte. Die Dynamik zwischen den dreien funktionierte nach dem gleichen Prinzip wie ein Motor, der von Getriebe und Hebeln angetrieben wurde. Und sie funktionierte immer noch. Nur wenn ein Rädchen im Getriebe hakte, versagte der gesamte Mechanismus.
"Ich habe mit Brouds Anwältin gesprochen, und sie war mehr als entgegenkommend."
Mattie gab ihnen eine kurze Zusammenfassung ihrer Unterhaltung mit Tansy Black. Dann kam sie direkt auf den Punkt: "Als ich sie fragte, warum sie eine Berufung für Broud angestrebt hatte, sprach sie von Problemen, die es mit der Beweislage in seiner Verhandlung gegeben hätte, inklusive des fehlenden Bandes. Ich glaube, sie hat nicht gemerkt, dass sie mir damit einen Tipp gegeben hat. Sie schien nicht zu wissen, dass sie mit einem der einsamen Mädchen sprach – überhaupt, sie scheint über uns gar nichts zu wissen."
"Was wahrscheinlich bedeutet, dass wir in den Aufzeichnungen nicht erwähnt sind", hielt Breeze fest. "Interessant, wo wir doch stundenlang befragt worden sind."
"Vielleicht wollte jemand von der Anklage nicht, dass unsere Namen oder Aussagen auftauchen", führte Mattie den Gedanken weiter. "Vielleicht gehörte er zum Ring."
Breeze schnalzte mit der Zunge. "Oder einige
Ers."
Mattie schaute zu Jane, die eisern schwieg und mit einem unangenehmen Gefühl in ihrer Kehle kämpfte. "Und da wir schon über den Sexring sprechen", fügte Mattie hinzu, "der wird nicht mal angedeutet, was ebenfalls erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass das Band 'Miss Rowes private Sozialstudien' heißt."
Breeze war so lebhaft wie Jane still. "Denkst du, sie hat die Männer gefilmt, ihre eigenen Klienten? Vielleicht wollte sie sie erpressen. Ich frage mich, ob ihr mysteriöser Liebhaber auf dem Video ist, der mit den Geschenken und den Blumen."
Das brachte Mattie zur zweiten Enthüllung. Ihre Handtasche lag auf dem Stuhl neben ihr. Sie zog den Reißverschluss auf und zog einen zerfledderten Brief aus einem braunen Umschlag hervor, der von Klebestreifen zusammengehalten wurde.
"Wir haben vielleicht nicht das Band", sagte sie, "aber wir haben das hier – den Brief, den sie an ihren Liebhaber geschrieben hat."
Jane blinzelte ungläubig. "Den hast du nach den ganzen Jahren immer noch?"
Zufrieden zuckte Mattie die Achseln. "Ich bewahre gewisse Dinge unter meiner Matratze auf, erinnert ihr euch? Wir können dankbar sein, dass der Geheimdienst nicht auch noch mein Bett auseinandergenommen hat. Vielleicht bin ich aufgetaucht, bevor Bratton so weit war."
Sie hatte etwas suchen müssen, aber dann hatte Mattie den Brief in einem Umschlag zusammen mit anderen Erinnerungsstücken an die Rowe-Akademie gefunden. Briefchen von den Mädchen, Geburtstagskarten, alles Dinge, die jahrelang unter ihren Matratzen verstaut gewesen waren, von dem quietschenden Gestell, in dem sie in Rowe geschlafen hatte bis zu dem gemütlichen Luxusbett in ihrem Strandhaus in Sausalito.
Mattie hatte den zerrissenen Brief in einem Papierkorb in Miss Rowes Apartment gefunden, als sie damals dort auf die Bestrafung für einen ihrer vielen Fehltritte hatte warten müssen. Dass nicht Miss Rowe, sondern jemand anders den Bogen Papier dort hineingeworfen hatte, war Mattie erst später klar geworden.
Breeze stand auf, um sich den Brief anzusehen. "Wird dort sein Name erwähnt?"
"Nein, aber darum geht es auch nicht." Mattie las die wenigen Zeilen vor:
Mein grausamer und ungewöhnlicher Geliebter, du hättest mich genauso gut erschießen und sterben lassen können. Warum hast du das nicht getan? Es wäre leichter für mich gewesen. Wie konntest du unseren tragischen Verlust nicht mit mir betrauern? Wie konntest du mich zu diesem Zeitpunkt verlassen? Ich fühle mich einsamer als je zuvor in meinem Leben. Ich machte dir das wertvollste Geschenk, das eine Frau einem
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