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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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nickte und erklärte ihr: »Das Mittel wirkt sehr schnell, aber die Wirkung lässt auch schnell wieder nach.«
    Piet öffnete die rückseitige Klappe und ließ sie zu Boden. Ein Scharren war zu hören. Piet sagte etwas zu Tim und dieser nickte. Er ging nach vorne zu der kleinen Öffnung und steckte den Kopf durch. Wieder ertönte das Poltern und Claire wollte hinlaufen, aber Alex hielt sie am Arm fest.
    »Je weniger Leute, desto besser.«
    »Geschafft«, Tim kam wieder zum Vorschein. »Geh etwas zur Seite, Claire. Das Tier ist unberechenbar. Komm ihr bloß nicht zu nahe.«

    Gehorsam ging Claire einige Meter zurück. Piet und Tim standen nun an den beiden Seiten der Klappe und hoben vorsichtig die Stange hoch, die den hinteren Teil des Transporters begrenzte. Ganz kurz war ein Huf zu sehen, als die Stute nach hinten ausschlug. Dann wurde es wieder lauter und sie kam rückwärts hinaus, verfehlte aber die kleine Rampe und rutschte ab. Blitzschnell packte Piet sie am Halfter. Dennoch bäumte sich das Tier auf, aber Piet ließ nicht los und wurde einen Moment nach oben gerissen und sah mit seinen hochgezogenen Beinen wie ein Zwerg aus. Tim sprang an die andere Seite des Tieres und griff ebenfalls nach dem Halfter. Alex rannte zur Stalltür und öffnete sie weit und verschwand dann im Stall.
    Obwohl sich die Stute heftig wehrte, schafften Piet und Tim es, sie festzuhalten und Richtung Stall zu bugsieren. Das Fell der Stute war schweißnass und sie zitterte am ganzen Körper. Einmal wieherte sie laut und drehte sich blitzschnell um, als wolle sie davonlaufen. Claire sah den angstvollen Blick des Tieres und es kam ihr so vor, als flehe es sie um Hilfe an. Zärtlichkeit wallte in ihr auf und sie machte einen Schritt vorwärts, blieb dann aber stehen, als die Stute wieder Anstalten machte zu steigen. Aber Piet hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an das Halfter und Tim drehte sie wieder um. Nur mit Mühe konnten die Männer sie in den Stall führen. Wenig später kamen sie wieder hinaus. Piet rieb sich den Schweiß von der Stirn, Tim sagte erschöpft: »So schlimm habe ich sie mir nicht vorgestellt.«
    »Ja, das dachte ich mir«, sagte Alex. »Das Tier wirkt auf mich traumatisiert. Ich weiß nicht, ob das gut geht.«
    Tim nickte zögernd. Auch ihm schienen Zweifel gekommen zu sein.
    »Ich möchte mit ihr züchten, sie hat eine fabelhafte Abstammung. Ich will es jedenfalls versuchen. Claire«, er wandte sich an seine Schwester. »Versprich mir, dass du nicht zu ihr gehst. Geh auf keinen Fall an ihre Box. Am besten bleibst du nur im vorderen Teil des Stalles, da, wo sie dich nicht sehen kann.«
    Sie nickte und wollte gerade ins Haus gehen, um sich umzuziehen, als Viktors Wagen in der Einfahrt erschien. Sie sah auf die Uhr. Es war erst halb elf. Natürlich musste er wieder zu früh kommen.
    Er stieg aus und sie ging auf ihn zu. Er kam ihr kurz entgegen, blieb dann aber stehen. Tat er das bewusst, um ihr Distanz zu vermitteln? Und dann sah er sie langsam von oben nach unten an. Zuerst ihre Frisur, ihren nachlässig zusammengebundenen Zopf. Dann ihr Gesicht, das nicht geschminkt war mit blassen Lippen und vereinzelten Sommersprossen, die Viktor nicht mochte. Auch ihre Augen gefielen ihm ohne Mascara nicht. Er meinte einmal, sie seien ein wenig farblos. Der alte grüne Pullover von Tim, der sich so angenehm auf der Haut anfühlte und kein bisschen kratzte, war verstaubt. Er hatte sogar ein winziges Loch an der rechten Schulter. Ihre Jeans war verbleicht, die Beinränder ausgefranst. Sie war ihr ein wenig zu weit, sodass der vordere Rand abstand. Deshalb hing sie im Schritt etwas durch, wie bei Rappern, die das cool fanden.
    Viktor fand sie kein bisschen cool. In seinen Augen war sie schlampig und wahrscheinlich sogar etwas gewöhnlich. Absolut nicht vorzeigbar. Wenn seine Kollegen sie so sehen könnten, Viktor würde sich in Grund und Boden schämen. Wie bei seiner Mutter in ihrem Bademantel.
    »Hallo, du bist zu früh«, sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme etwas bissig klang.
    »Tut mir leid«, sagte er leichthin und sie wusste genau, dass dem nicht so war.
    Er trug wieder einen Anzug, einen anderen diesmal, und seine italienischen Schuhe. Sogar eine Krawatte. Viel zu elegant für einen Hof.
    Er passt überhaupt nicht hierhin, dachte sie ruhig. Das ist für ihn eine total fremde Welt. Vielleicht musste sie nur versuchen, sie ihm etwas verständlicher zu machen, damit er begreifen konnte, wie wichtig ihr das alles

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