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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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anfühlte.
    »Das reicht«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Wer bist du denn schon? Ein kleiner Filialleiter in einer Kleinstadt, der kleinen Händlern kleine Kredite bewilligt und sich dabei auch noch groß und mächtig vorkommt. Du bist nichts weiter …«
    Er packte sie am Arm und zischte: »Jetzt halt den Mund. Du weißt ja nicht, was du sagst.«
    Sie riss sich los.
    »Ich möchte, dass du unverzüglich von hier verschwindest. Und ich will dich nie wieder sehen.«
    Viktor wurde blass, dann straffte er sich und rieb die Handflächen aneinander, als wolle er Schmutz beseitigen.
    »Du bist total verblendet. Ich sehe ein, dass man mit dir jetzt nicht reden kann.«
    »Geh jetzt«, sagte sie kalt. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann wandte er sich ab und ging zu seinem Wagen. Tim war an ihre Seite gekommen und legte seinen Arm um ihre Schultern. Der Motor heulte auf, die Reifen drehten auf dem Kies durch. Dann verschwand der Wagen.
    »Claire, das tut mir so leid. Jetzt ist auch noch deine Beziehung kaputt und alles nur wegen mir.«
    »Nein, mach dir keine Gedanken«, sagte sie erschöpft. »Es ist besser so. Wir passen einfach nicht zusammen.«
    »Ja«, er nickte. »Weißt du, das hat Nina sofort gesagt, als sie damals bei dir war und ihn kurz kennenlernte. Sie sagte, das wird nichts. Weil Viktor dich nur herumkommandieren würde.«
    Sie schwieg.
    »Was meinte er denn mit dem Deckhengst? Das habe ich nicht verstanden.«
    Claire genierte sich nun und sagte schnell: »Ach, nichts weiter.«
    Tim nickte nur und begann dann vorsichtig: »Du, Claire, ich muss dir noch etwas sagen.«
    »Ja?«
    »Das Grundstück, von dem du gesprochen hast, das längliche, das nicht bewirtschaftet wird, es gehört mir gar nicht.«
    »Was?«, fragte sie entsetzt. »Aber es liegt doch direkt hinter dem Steinhaus.«
    »Ja, aber es gehört nicht zum Hof. Wenn wir es wirklich brauchen, müssen wir sehen, ob wir es kaufen können.«
    Abends war Tim bei einem Landwirt, weil er Stroh und Heu bestellen wollte. Sie langweilte sich und ärgerte sich immer noch über Viktor.
    Sie hatte eigentlich immer geahnt, dass ihre Gefühle für Viktor nicht stark genug waren. Irgendetwas fehlte. Alles war flach, ruhig, ausgeglichen. Es gab keinen Tiefgang, keine Aufregung, kein Herzklopfen. Und an Schmetterlinge im Bauch konnte sie sich überhaupt nicht erinnern. Ihre Beziehung war eine sterile Angelegenheit gewesen, wie sie sich nun eingestand. Als sie sich kennenlernten, dachte sie, dass sich ihre Gefühle entwickeln würden. Zu einer Beziehung voller Harmonie und Respekt. Sie glaubte damals sogar, sie passten gut zusammen, weil sie beide klassische Musik liebten, ein schönes Zuhause und Kunst. Aber nicht einmal das stimmte, wie sie jetzt zugeben musste. Viktor hörte Bach und Wagner, weil er sich für einen kultivierten Mann hielt, während sie Musik hörte, um darin aufzugehen. In Viktors Zuhause war alles genau aufeinander abgestimmt, so wie man es in Wohnzeitschriften fand. Sie dagegen brauchte Wärme und gemütliche Ecken, in denen sie sich kuscheln konnte.
    Sie hatte sich oft gefragt, ob das schon alles sein sollte. Jetzt wusste sie, dass etwas fehlte. Liebe musste noch etwas anderes sein. Die Trennung war überfällig gewesen. Sie war fertig mit ihm und weinte ihm keine Träne nach.
    Sie schaute aus dem Fenster. Die Stalltür war nur leicht angelehnt.
    Dann fiel ihr die neue Stute ein. Offenbar hatte sie sich an ihr verändertes Umfeld schon ein wenig gewöhnt. Tim sagte, sie reagiere sofort heftig, wenn jemand vor ihrer Box stand. Aber wenn es im Stall ruhig sei, verhalte sie sich friedlich.
    Irgendwie interessierte das Tier sie. Etwas hatte sie berührt, als sie sie auf dem Hof gesehen hatte, voller Angst und bereit fortzulaufen. Sie konnte ja wenigstens mal einen Blick auf sie werfen. Zögernd näherte sie sich dem Stall und schob das Tor einen Spaltbreit auf. Farewell spitzte die Ohren und hob den Kopf. Er schaute in ihre Richtung, neugierig, ob sie ihm etwas zusteckte. Esquire dagegen ließ sich nicht stören. Sie döste vor dem Trog und rührte sich nicht. Fever lag mit geschlossenen Augen in der Streu. Strohhalme hatten sich in ihrer Mähne verfangen. Wahrscheinlich hatte sie sich vorhin noch gewälzt. Princess begann mit dem Vorderbein zu scharren.
    Langsam ging sie nach hinten durch und blieb stehen, als sie in die Box einsehen konnte. Die Stute stand mit angespannten Muskeln in der linken Ecke und schien zu horchen.
    Sie wartete.

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