Das Isaac-Quartett
Pimloe sprach weiter.
»Coen, du bist der eigentümlichste Jude, den ich je gesehen habe. Du musst im Krankenhaus vertauscht worden sein. Wie geht es Isaac?«
»Frag ihn doch selbst.«
»Alle Juden stecken unter einer Decke. Du, Isaac und Papa Guzmann.«
»Deine Spione sind verpennt, Herbert. Die Guzmanns sind vor vielen Hundert Jahren katholisch geworden.«
»Warum haben sie dann noch jüdische Schriftrollen an der Tür?«
»Weil sie abergläubisch sind. Aber was hat Isaac mit Papa zu tun?«
»Du bist nicht auf dem laufenden, Coen. Isaac ist Papas neuer Leibwächter. Das muss man sich mal vorstellen: Der beste Kopf, den wir je hatten, hurt für eine Horde von Taschendieben.« Pimloe hatte ein Zwinkern für Coen übrig. »Du wirst jetzt eine Zeit lang keine Mordfälle lösen. Ich streiche dich von der Liste. Spar dir die Mühe mit dem Mannschaftsraum. Du erstattest mir Meldung.«
Als er die Treppe hinunterging, machte Coen Knoten in seine Krawatte. Brodsky fand er eingenickt auf dem Bürgersteig. Coen machte erst am Columbus Circle den Mund auf.
»Warum interessiert sich Pimloe bloß so für die Guzmanns? Von der Bronx aus können sie ihm nicht viel anhaben. Papa hasst die Luft von Manhattan.«
»Er ist nicht hinter Papa her. César hat sich von der Sippe gelöst. Er hat das Revier gewechselt. Aber auf die East Side steht er sicher nicht. Er treibt sich an der Achtundneunzigsten West rum.«
»Und Isaac? Ist Isaac bei ihm?«
»Das hat Pimloe dir gesagt?«
»Nein. Er sagt, Isaac lungert für Papa rum.«
»Gauner zieht es zu Gaunern«, sagte Brodsky.
Coen entschloss sich, zu Fuß weiterzugehen. Die Leute starrten seinen Schlafanzug an. Er trug sein Pistolenhalfter nicht sichtbar. Als ihm einfiel, wie ergeben Brodsky Pimloe war, bildete er mit seinen Händen einen Trichter und rief dem Wagen nach: »Brodsky, du warst ein Trottel, ehe Isaac dich aufgelesen hat. Er hat dir beigebracht, wie man sich die Nase putzt. Nur Isaacs Zahnarzt konnte dein Zahnfleischbluten heilen.«
Brodsky kurbelte die Scheibe hoch und floh.
Herbert Pimloe war mit zweiundvierzig Deputy Inspector. Er hasste Coen. Er wollte ihn mit Isaacs Scheiße besudeln. Isaac war DCI (Deputy Chief Inspector) gewesen, schon mit vierzig, und das nahm ihm Pimloe übel. Isaacs Karriere wurmte ihn. Isaac hatte die Abteilung geleitet, ehe er in die Bronx abgesprungen war, und jetzt unterstanden Pimloe die Untersuchungseinheiten des First Deputy Commissioner, doch er hatte die Kriminalbeamten und Büroangestellten nicht so im Griff wie Isaac. Außerdem konnte er sich die Zuneigung des First Dep nicht erschmeicheln, obwohl er in Isaacs früherem Büro saß.
Pimloe war mit magna cum laude von Harvard abgegangen; seine Abschlussarbeit hatte er über Verhandlungsgeschick und moralische Anomalien von Hitler, Stalin, Churchill, Mussolini und De Gaulle geschrieben. Seine Freunde hatten anschließend Jura, Medizin, Betriebswirtschaft oder Philosophie studiert, und Pimloe hatte etwas über Strafgerichtsbarkeit vor sich hingemurmelt. Nachdem er die geistigen Fähigkeiten der Obermacher seiner Zeit ausgelotet hatte, entwickelte er ein einzigartiges Misstrauen gegenüber Uni und Büchern. Er ging als kleiner Streifenpolizist zur New Yorker Polizeibehörde. Seine Dienstwaffen waren ein Gummiknüppel und ein.38er Colt, und er entging der Einberufung. Nachdem er fünf Jahre lang Brooklyn und Queens durchstreift hatte, las ihn der First Deputy auf. Jemandem musste das magna cum laude in seiner Personalakte aufgefallen sein. Er tippte für den First Dep, schrieb Berichte für die rechte Hand des First Dep, Isaac Sidel, erfüllte kleine Geheimaufträge und wechselte von einem Colt zu einer Smith & Wesson über. Mit den jüngeren Chefs der Abteilung stieg er auf, immer eine Stufe unter Isaac, tappte in Isaacs Schatten herum, bis Isaac verschwand; aber es war nicht einfach, den jüdischen Chef loszuwerden. Isaac spukte noch durch die ganze Abteilung.
Um Viertel vor sieben rief ihn Brodsky an. Brodsky war Isaacs Chauffeur gewesen, und obwohl diese Tatsache ihm einen Sonderstatus in den Augen der anderen Deputy Inspectoren gab, misstraute Pimloe dem Chauffeur; es machte ihm keinen Spaß, mit Isaac verglichen zu werden. Er war übellaunig und wollte nicht zu seiner Frau nach Hause gehen. »Jane Street«, sagte er. »Such mir Odette.«
Der Chauffeur lachte.
Pimloe fragte ihn scharf: »Glaubst du, das Rindvieh hat angebissen?«
»Hat er. Und wie.«
»Bist du ganz
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