Das Isaac-Quartett
verlegen die Schultern und trösteten sich mit dem Gedanken an Zwiebelbrot und an pissfarbenen Tee.
Rupert war drei Meter entfernt. Er hörte nichts von dem Aufruhr um Esther. Auf seiner Stirn waren tiefe Furchen. Esther stieß ihn an, sagte auch nichts. Sie hatte zu viel Respekt vor Ruperts tiefem Nachdenken. Er drückte Esthers Ammoniak an sich. Er ging an ihr vorbei, ohne das Grölen der Arbeiter und der Lieferanten zu bemerken. Esther betete ihn an, ob pummelig oder dürr, doch sein knochiges Aussehen erschreckte sie. Rupe, hätte sie gern gesagt. Vergiss das mit der chinesischen Bande. Stanley stirbt nicht in Corona. Es ist nicht deine Schuld, dass du nie Kung-Fu gelernt hast. Ich bin dir nicht mehr böse. Doch die harte Linie seines Ohransatzes bestürzte sie, und Esther sagte kein Wort.
Sie bekam Hunger, als sie durch die Ludlow Street schlenderte. Um die puerto-ricanischen Verkäufer zu verwirren, schloss sie ihre Matrosenjacke und trat in einen winzigen Supermercado. Ein zweites Mädchen kam in den Laden, als Esther eine breiige Mandarine unter ihre Jacke schob. Die irische Nase und das jüdische Kruselhaar drangen zu Esther durch. Die Mieze kenne ich. Isaacs dürre Tochter. Das musste sie sein. Die Göre wohnte jetzt bei Isaac. Rupert und Esther hatten sie auf Isaacs Feuertreppe gesehen. Marilyn liebte Kaltluftbäder. Sie hatten sie von den Dächern aus beobachtet, und Esther hatte sich gewünscht, sie könnte dem Mädchen die Kniescheiben brechen. Im Supermarkt fühlte sie weniger grausam und spürte nur den einen kleinen Drang, ihre Maske aus der Tasche zu ziehen und Marilyn the Wild nachzuspuken. Die feuchte Mandarinenschale auf ihren Brüsten beruhigte Esther Rose. Sie wandte sich wieder ihrem Anliegen zu, mehr Mandarinen zu klauen.
Die Verkäufer waren sich über Esther im Klaren. Wie viele Muchachas streiften in schwangeren Matrosenjacken durch den Laden? Sie zerrten an ihrem Jackensaum und plärrten: »Diebe, Diebe.« Mandarinen, Avocados und überreife grüne Paprikaschoten plumpsten als peinlicher Matsch zu Boden. Esther ging mit den Ellbogen auf die Verkäufer los. »Soll ich euch vielleicht in die Eier treten?«
»Ruft die Bullen, Mann«, kreischte der Geschäftsführer. Dann erkannte er Marilyn, die versuchte, sich zwischen Esther und die Verkäufer zu zwängen. »Ihr Vater sollte kommen, Señorita Marilyn. Diese Muchacha hat nötig die Handschellen und eine Pistola in Mund.«
»Ich zahle das«, schrie Marilyn auf den auf- und abhüpfenden Scheitel des Verkäufers ein. Sie sah, wie sich Schaum auf Esthers Lippen bildete. Es war einfach blödsinnig, jemanden nur wegen ein paar lächerlichen Avocados und Paprikaschoten zu verhaften. Entweder das Mädchen war verrückt oder sie war völlig wild auf Vitamine. Marilyn zog einen Dollar aus ihrem Geldbeutel. Die Verkäufer lehnten ihr Geld ab. »Nein, nein, Señorita Marilyn.« Sie ließen Esthers Jacke los. Esther kam Marilyns Kinn mit ihren Zähnen nahe.
»Wer hat dich um deine verfluchte Nächstenliebe gebeten?«
»Beknackt«, flüsterten sich die Verkäufer zu. Kleine Gauner wie Esther gehörten in ihrer Branche zu den üblichen Plagen. Schaben, Ameisen, Hunde, Mäuse und andere räuberische Lebewesen konnten einem das Inventar zerstören.
Marilyn blieb nicht bei den Verkäufern stehen; sie folgte den Spuren von Esthers Jacke. Die beiden Mädchen stießen auf der Grand Street zusammen. »Wie heißt du?«, fragte Marilyn.
Esther lächelte. »Ich? Ich bin Rupertina. Ich wohne außerhalb, in einem Sozialbau. Ich habe elf Brüder, Miss, Gott steh mir bei. Meine Mutter ist tot. Mein Vater hat keine Zähne mehr. Er leckt die Rinnsteine auf, damit er was zu essen hat. Und Sie, haben Sie noch einen Papi?«
Das grässliche Schicksal des Mädchens machte Marilyn nachdenklich. Doch in Rupertinas Stimme hatte eine sonderbare Schärfe mitgeschwungen. »Kennst du meinen Vater? Er ist Polizeiinspektor. Isaac Sidel.«
Esther musste ihr Mitleid für Marilyn the Wild unterdrücken. In zwanzig Stunden wird die Puppe eine Waise sein. »Ich habe noch nie von einem Isaac gehört, Miss.«
Esther sprang auf den Bürgersteig und tollte davon. Sie wünschte, sie hätte einen Lollipop in ihrer Maske gelagert. Dann könnte sie jetzt durch das Einwickelpapier beißen und bunten Saft auf der Zunge spüren. Das Magenknurren trieb sie zur Suffolk Street und zu Ruperts sauren Gurken. Die Schnösel auf den Handballplätzen von Seward Park hörten nicht auf, sie zu
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