Das Isaac-Quartett
raffte seine Taschen hoch und versuchte, sich zu erinnern, ob die kubanischen Lebensmittelgeschäfte Ammoniak führten. Er kam nicht hinter die Natur von Esthers Eintopf; womit sie Isaac wohl füttern wollte? Warm oder kalt? Auf der Norfolk Street vertrat ihm ein fetter Mann in einem Armeemantel den Weg. Es war Tony Brill. Rupert grinste höhnisch.
»Wenn du mir folgst, Mann, dann quetsch ich dir die Eier ein. Du weißt ja, wie ich mit Leuten umspringe. Ich bin Rupert Weil.«
Tony Brill rannte hinter Rupert her. Bald schnappten beide wie verrückt nach Luft. Dem Journalisten gelang es, drei Worte auszustoßen: »Sprich mit mir.«
Sie blieben jeder auf einer Seite eines Laternenpfahls stehen. Rupert streckte die Hand aus. »Bargeld, du Sack. Gib mir dein ganzes Geld.«
Tony Brill drückte Rupert einen zerrissenen Dollarschein in die Hand. »Das ist alles. Redest du jetzt mit mir?«
Rupert ballte eine Faust; der Dollar schaute zwischen seinen Fingern vor. Er hatte das Geld für das Ammoniak; für einen Ladendiebstahl war er zu erschöpft.
»Rupert, du kannst berühmt werden. Sag mir, ob du darunter leidest, dass man dich als Banditen beschimpft? Welche Bedeutung hat es, dass du dich weigerst, Bargeld anzurühren? Bist du auf Blut aus und nicht auf Geld? Werden du und Esther auch ohne Stanley Chin Geschäfte überfallen? Bist du eine Art neuer Robin Hood?«
»Nein«, sagte Rupert. »Ich bin Papas Liebling.« Er stieß Tony Brill vom Bürgersteig und rannte auf eine Reihe von Läden zu.
Esther hatte es satt, die brodelnde Suppe umzurühren; sie konnte das Blubbern der Blasen unter dem Schaum hören. Ein solcher Lärm ließ sich mit nichts anderem als Ammoniak beschwichtigen. Sie würde Isaac die Suppe mit den Ohren schlucken lassen. Es gab nicht nur eine Möglichkeit, einen großen jüdischen Bullen zu vergiften. Schon morgen würde Isaac Blut pissen. Rupert war zu weich. Ohne Esther Rose konnte er den Chef nicht bestrafen.
Jeschiwe-Mädchen sind nicht blind; sie hatte beobachtet, wie Rupert vom Fleisch fiel. Wer mergelte Ruperts Wangen aus? Isaac der Reine. Ruperts gesamte Schrecken rührten von dem großen Juden her. Das hatte sie ihm auch gesagt.
»Rupert, du liebst deinen Vater zu sehr. Ist es deine Schuld, dass er unter Isaacs Fuchtel steht? Warum hat er nicht vor Jahren seinen Kram gepackt und ist von der Essex Street weggezogen? Isaac bringt deinen Vater um. Lass dich nicht auch noch von ihm umbringen.«
Er war wütend geworden. »Woher willst du das eigentlich alles wissen? Haben dich deine Rabbis die Philosophie eines Philip Weil gelehrt? Mein Vater findet Umzüge entsetzlich. Erwartest du von ihm, dass er über die Brooklyn Bridge krabbelt? An einem Ort, den er nicht kennt, würde er eingehen. Frag die Wissenschaftler. Man kann den Verstand verlieren, wenn man von dem Ort abgeschnitten wird, an dem man geboren ist.«
»Dann suchen wir einen neuen für ihn. Wenn einem die Eingeweide schrumpfen, ist es zu spät.«
»Hör auf, über meinen Vater zu reden. Lass seine Eingeweide in Frieden.«
Sie war nicht beleidigt. Sie konnte nur eigensinnige Knaben lieben. Aus seinen Augenbrauen rann der Schweiß. Seine Wangen zitterten. Sie fand ihn schöner als Isaacs Schätzchen, Mr. Blue Eves. Für den hübschesten Bullen auf der ganzen Welt hätte sie ihre Wäsche nicht ausgezogen. Was die Männer anging, mit denen sie bumste, war sie eigen. Fernfahrer, Krämer, Jungen von der JDL, aber ein blonder Detective würde nie auf ihrer Liste stehen.
Die Suppe in Esthers Topf roch ärger als ein scharfer Kater aus Williamsburg. Die Ausdünstungen machten ihr Kopfschmerzen. Esther musste ins Freie. Sie schnappte ihre Matrosenjacke. Ihre Faust bohrte sich in den Ärmel wie der Schädel eines Murmeltiers, aber die Knöpfe blieben offen. Die Decke rutschte ihr auf die Hüften. Esther glaubte nicht an Röcke. Man konnte den Wind nicht spüren, wenn man sich die Beine mit Stoff einschnürte. In der Tasche hatte sie eine zusammengeknüllte Skimaske. Sie konnte die Nachbarschaft in Schrecken versetzen. Sie brauchte sich nur die Maske über den Kopf zu ziehen. Dann schrien die Kaufleute: »Lollipop, Lollipop«, und verkrochen sich in den hintersten Winkel ihrer Läden. Es gab ihr nichts mehr, einen Kaufmann zittern und beben zu sehen. Die Kaufleute hatten einen König mit gelockten Koteletten. Isaac den Juden. Esther schwor sich, ihn vom Sockel zu stürzen.
Als Rupert sie zum ersten Mal in die East Side gebracht hatte,
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