Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn

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belästigen. Das waren Jungs mit Krawatten, blauen Turnschuhen und silbernen Ringen im linken Ohr. Die Spitzen ihrer Stöcke waren scharf genug, um die Taschen eines Mädchens aufzuschneiden. »Komm zu uns auf den Sportplatz, kleine Mama. Wir werden uns an dir laben.«
    Esther knurrte die Kerle an und schlug ihnen die Stöcke aus der Hand. »Wisst ihr nicht, wer ich bin?«, sagte sie angriffslustig. »Ich bin Isaacs Tochter.«
    Die Jungen holten sich ihre Stöcke zurück: »Von dem Isaac?«, fragten sie. »Dem Judenpapa?«
    »Genau dem.«
    Sie hatten Zweifel. »Was tut die Tochter des großen Isaac ohne Hose und Rock auf der Straße?«
    »Ich komme von einem Rendezvous.«
    »Was ist das?«, bohrten die Jungen.
    »Eine religiöse Zusammenkunft. Mit einem Rabbi. Sie wird im Schwimmbecken abgehalten. Jeden Monat. Das wäscht alle Bakterien ab.«
    Die Dummköpfe stoben auseinander; Esther würde sie vielleicht mit ihrem Gerede von Rabbis, Bakterien und Schwimmbecken anstecken.
    Esther erreichte die Suffolk Street. Rupert erwartete sie im vierten Stock ihres Hauses mit einer Flasche Ammoniak. Sie gingen in das Zimmer, in dem Esther den Topf aufbewahrt hatte. Sie stellte den Esbitkocher wieder an und goss ohne ein Wort des Dankes etwas Ammoniak in ihre Suppe. »Gurken«, sagte sie. »Bring mir Gurken.«
    Rupert brachte ihr die Konserven seines Vaters. Während Esther die Suppe umrührte, fütterte er sie mit sauren Gurken, Weinblättern und Kohl. Sie stieg aus ihrer Jacke und Rupert musste zur Wand schielen, um sich von dem Schwingen ihres Arsches und ihren wunderbar sich abzeichnenden Rippen abzulenken. Esther konnte sich erschreckend konzentrieren. Sie hätte ihn angeschrien, wenn er versucht hätte, sie zu vögeln, während sie ihre Suppe zubereitete. Rupert kannte seine Grenzen. Er war nur nominell der Anführer der Lollipops. Der Kopf der Bande war Esther. Sie ist es, die die Raubzüge in die East Side geplant hat. Sie würden dem Riesen einen Finger nach dem anderen abhacken, Isaac von der Peripherie her angreifen, sich in seinen Achselhöhlen einnisten und seine Anhängsel niederschlagen.
    Ruperts Augen bohrten sich in die Wand, als er eine Hand in seinem Mantel spürte. Esther hatte begonnen, ihn auszuziehen. Er widersetzte sich nicht. Er nahm ihre Gunst hin, wie es eben kam. »Ich glaube immer noch nicht, dass Isaac deine Suppe allzu bald trinken wird.«
    »Sei ruhig«, sagte sie. Sein Herz schlug gegen ihre Handfläche. Gleich lagen sie in Esthers Mantel. Dieser Junge war zerbrechlich; er hatte den Herzschlag eines gefangenen Vogels. Wenn man den sephardischen Priestern glaubte, war es sündhaft, dass Esther beim Vögeln oben lag. Zum Teufel mit den Priestern. Esther wollte sich ihre eigene Religion erfinden. Sie war in einen Jungen verliebt, der fünfzehn Jahre lang beobachtet hatte, wie sein Vater sich selbst zerfraß. Angeknabberte, verstümmelte Leichen waren die hässlichsten. Rupert hatte sich bei seinem Vater angesteckt. Er konnte nicht unter Isaac rauskriechen.
    Ihre Zunge wühlte sich durch Ruperts Zähne. Sie hörte das Schnauben des Jungen. Sie würde aufpassen müssen, dass er wieder etwas auf die Rippen bekam. Das war unmöglich, solange es Isaac gab. Esther hatte fest vor, zu gewinnen, selbst wenn sie Isaacs Braut werden musste. Darüber grämte sie sich nicht. Die Ehe würde dürftig sein.

TEIL DREI
9
    Isaac erschien in gewöhnlicher Straßenkleidung im Neptune Manor am Ocean Parkway; für die Hochzeit einer alten Jungfer war er nicht gewillt, sich seine fünf Samtanzüge – champagnergelb, gurkengrün, orange, rot und maulwurfgrau – aus der Wohnung seiner Gattin in Riverdale zu holen. Marilyn hatte sich geweigert mitzugehen, und so musste er sich mit Coen begnügen. Die Krähen aus Barney Rosenblatts Abteilung, die Cowboy ihre Ledermontur geopfert hatten und in Kammgarn und in schwerem Gabardine erschienen waren, kicherten über Isaacs »Begleiterin«. Coen war unten durch, das wussten alle; er hatte die Ursünde begangen, mit Marilyn Sidel anzubändeln.
    Isaac und Coen waren in eine Ecke abgeschoben worden, weit vom Tisch der Hochzeitsgesellschaft entfernt, an dem Cowboy mit seiner ältesten Tochter saß, mit seinem neuen Schwiegersohn – einem Herrenartikelhändler mit schlechten Zähnen –, dem First Deputy Commissioner O’Roarke, dem Chief Inspector und dem PC sowie deren Gattinnen und zwei jungen Stadträten, ehrbaren Männern mit Koteletten und akademischem Grad, die sich unter so