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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Topal und Alejandro Gummibären und purpurrote Karamellen aus Atlantic City mitgebracht.
    Papa konnte seinem Jüngsten nichts vorschreiben. Der Fuchs der Boston Road musste den Bullen ein Schnippchen schlagen und im Süßwarenladen seines Vaters vorbeischauen.
    »Du hast Jerónimo verpasst«, sagte Papa. »Um zwei Minuten.«
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte Zorro. »Hast du erwartet, dass ich vor Isaacs Wagen stehen bleibe und mich vor Jerónimo verbeuge? Wie geht es Patrick Silver?«
    »Warum besuchst du ihn nicht in seiner Kirche in der Bethune Street? Dann kannst du ihn selbst fragen.«
    Zorro knirschte mit den Zähnen. »Ich traue diesem irischen Schwein nicht. Er ist aus Isaacs Bauch gekrochen. Wie Coen.«
    »Coen hat uns nie etwas getan. Und wohin sollten wir Jerónimo bringen, wenn wir den Iren nicht hätten?«
    »Jerónimo könnte zu mir kommen.«
    »Wunderbar«, sagte Papa. »Er wird mit seinem Bruder in einer Telefonzelle schlafen. Er wird sich von Hurenrotz ernähren. Du wirst seine Taschentücher im Regen waschen. Schön. Sehr schön.«
    Die Malzmilch, die Zorro als Kind getrunken hatte, musste Schäden hinterlassen haben. Er hegte immer noch Groll gegen Manfred Coen. Coen war tot. Sie waren gemeinsam im Süßwarenladen aufgewachsen, Manfred und Zorro. Sie waren Klassenkameraden. Mit Eiscreme in den Backen saßen sie ihre Hausaufgaben ab. Sie fütterten die Tauben der Boston Road. Sie pulten Wanzen aus Jerónimos Haar. Doch dann war Coen zu Isaac gegangen und ein blauäugiger Bulle geworden und hatte sein Leben bei einem wahnwitzigen Unfall verloren. Am Ende eines Pingpongspiels hatte ihn eine Kugel an der Kehle erwischt. Patrick Silver hatte gemeinsam mit Coen Banditen gejagt. Er war einer von Coens zahlreichen Partnern gewesen, bis der Police Commissioner Patrick die Waffe weggenommen hatte.
    »Zorro, der Ire liebt Jerónimo. Sag nichts gegen ihn. Wo ist Cousin Isidoro?«
    »Er ist in Sicherheit, Papa. Unsere Freunde haben Isidoro aus Atlantic City geholt.«
    »Hast du Totenkläger für ihn besorgt? Ich will nicht, dass mein Cousin ohne Segen bleibt.«
    Zorro war wieder der Blinde. Er setzte seine gesprungene Brille auf und nahm den schmalen weißen Stock. »Papa, würde ich auf Isidoro spucken? Ich habe deinem Cousin mehr Segen zukommen lassen, als er verdient hat. Es hat mich hundert Scheine gekostet, einen Kantor zu finden, der für ihn beten wollte.«
    Der Fuchs küsste Jorge, Alejandro und Topal, murmelte eine Verabschiedung und ging, mit seinem Stock tastend, zur Tür.
    »Sei vorsichtig, Zorro«, sagte Papa. »Die dunkle Brille heißt gar nichts. Polizeiwagen überfahren auch Blinde.«
    Zorro winkte nicht. Er machte die Schultern krumm, schnupperte prüfend und trat in den Rinnstein der Boston Road.
5
    Die Gemeinde Limerick hat ihren Sitz in der Bethune Street zwischen einer chinesischen Wäscherei und einem Krankenhaus für Katzen und Hunde. Niemand kann sich an ihren richtigen Namen erinnern. In den Imbissen und Bars um den Abingdon Square kennt man sie als die irische Synagoge oder als Patrick Silvers Schul. Es ist ein bröselnder Sandsteinbau mit Buntglasfenstern und Pappdeckelstücken in den Scheiben und mit einer Markise, die 1930 extravagant war und heute ein hässlicher Fetzen Stoff ist. Diese Schul ist elend dran. Sie existiert ohne Präsidenten oder sonstige Leitung (die Kirchenältesten der Synagoge, ein invalider Haufen von Junggesellen und Witwern, besitzen nicht die Energie, sie zu leiten). Sie ist keiner anderen Gemeinde auf Erden angeschlossen. Sie pflegt keine Kontakte mit dem Chefrabbi von Dublin oder den alten Synagogen von Cork. Kein Rabbinerrat der Vereinigten Staaten kann sich auf Bande mit der irischen Synagoge in der Bethune Street berufen. Ihr ist auch kein Frauenverband angeschlossen, der in Greenwich Village Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert und Buntglasstücke aufzustöbern versucht, die in den Scheiben fehlen. Sie kann sich das Honorar für einen Kantor nicht leisten; niemand kommt hierher, um den Singsang für die Toten anzustimmen.
    Die Bethune Street hat einen Rabbi, Hughie Prince, einen schmallippigen Mann, der nie ordiniert worden ist. Fragen Sie ihn, wo er studiert hat. Hughie war auf keinem Rabbiner-College. Die Kirchenältesten haben ihn ausgewählt, weil er der einzige unter ihnen war, der mal was von der Mischna und der Gemara gehört hatte. Hughie lehrte in der irischen Synagoge den Talmud, wobei er seine Erläuterungen zu den Gesetzen der Diaspora

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