Das Isaac-Quartett
geträumt). Sämtliche blauäugigen Bullen hielten Dienstwaffen in der Hand. Sie hielten respektvollen Abstand zu Patricks riesigem Besenstiel. Ihr Wortführer, ein Detective-Lieutenant mit blondem Schnurrbart, dröhnte los.
»St. Patrick, wir sind nicht gekommen, um dir Böses zu tun. Preise den Herrn, wir kommen in friedlicher Mission. Der First Dep liegt im Krankenhaus. Er hat mitten in der Nacht einen Blutsturz gehabt. Ich habe ihn nicht gesehen, aber ich habe gehört, dass das Blut in Strömen aus seinem Hals geflossen ist. Im Moment ist ein Priester bei ihm. Der Pater erteilt dem alten Ned die Letzte Ölung; gleichzeitig wird er mit frischem Blut vollgepumpt. Isaac will nicht, dass er ohne einen Blick in dein Gesicht stirbt. Mach uns also keinen Ärger, St. Patrick. Wir bringen dich so oder so ins Krankenhaus.«
Patrick stützte sein Kinn auf den Besen. »Isaac flattert wohl, wenn er neun von euch Affen schickt.«
»Er ist konservativ«, sagte der Schnurrbart (Lieutenant Scanlan) mit einem Blick auf Jerónimo. »Er weiß, wie wild sich ein jüdischer Heiliger gebärden kann. Isaac glaubt an Zahlen. Er war der Meinung, dass neun von uns ausreichen, um dich zu entmutigen. St. Patrick, müssen wir deine kleine Kirche einreißen?«
»Steckt eure Waffen weg. Sie stinken nach Metall. Und macht die Augen zu. Jerónimo und ich müssen uns anziehen.«
Isaacs »Kinder« dachten nicht daran, die Waffen wegzustecken oder die Augen zu schließen; sie starrten Jerónimos Eier an, als sich das Baby aus dem Bett wälzte. Das Baby stieg in eine Unterhose, die ihm bis auf die Knie reichte. Er trug lieber Pullover als ein Hemd, und seine Hosen hingen im Sitz runter. Er zog sich Ohrenschützer aus der Tasche und wand die Bänder um seine Ellbogen. Patrick musste ihm die Schuhe zubinden.
Die Bullen kicherten über die beiden Grauköpfigen und wollten sie gleich aus der Synagoge führen. »Nicht so eilig«, knurrte Patrick. »Das hier ist kein Lunapark. Scanlan, du wirst mir zwei deiner hübschen Knaben ausleihen müssen. Sie werden eine halbe Stunde lang gute Juden sein. Isaac wird nichts dagegen einwenden. Ich gehe nicht, ehe ich zehn lebende Kunden finde.«
Er bahnte sich einen Weg durch die Kriminalbeamten und bezog in der Tür Posten. Sechs alte Männer standen in den Korridoren. Als treue Anhänger der Gemeinde trieben sie sich ständig in der Bethune Street rum und bildeten den harten Kern von Patricks Minjens. Sie trugen ihre Gebetsschals in weichen Samttaschen bei sich, diese Freunde von Patricks verstorbenem Vater. Patrick rief durch die Korridore. »Wo ist Hughie?«
Die alten Männer sahen ihn achselzuckend an. »Hughie scheißt gerade, oder er schneidet Glas.«
Doch Hughie kam. Er beugte sich schon so lange über Glas, dass sein Rücken gekrümmt war, und sein Schneidewerkzeug hatte seine Finger eingekerbt. Er wollte nicht die traditionelle Pelzmütze (mit Zöpfen) tragen, die die Rabbis und weisen Männer Osteuropas kennzeichnete. Er hatte auch keine Jarmulke mit Goldfäden, um sich gegen die gewöhnlichen Massen abzusetzen. Er trug eine schlichte Mütze mit fadenscheinigen Rändern, die oben immer eingebeult war, weil eine Schutzbrille darauf saß, damit ihm keine Glassplitter in die Augen kommen konnten. Hughie wollte seine Brille in der Schul nicht absetzen. Er sah keinen Widerspruch zwischen der Thora und seinem Gewerbe. Nach Hughies Ansicht konnte man nicht ein guter Rabbi und ein schlechter Glaser sein. Er schnitt Glas mit den Fingern von Benjamin, Jakob und Elias auf dem Handgelenk.
Hughie starrte die Kriminalbeamten und ihr Waffenarsenal an. »Patrick, jag sie davon! Die haben in einer Synagoge nichts zu suchen.«
»Keine Sorge, Rabbi. Ich habe ein paar dieser Kerlchen eingeladen, mit dir zu beten.«
Drei Beamte blieben zurück. Sie gingen mit Hughie und den sechs alten Männern der Schul die Treppe hinauf. Sie mussten an der Küche vorbeigehen, am Lesesaal, an den Toiletten und am Winterzimmer (das von November bis März für Bettler offen stand), ehe sie die Kapelle erreichten. Die Polizeibeamten wieherten über die Verhältnisse bei diesen Juden aus Limerick, die auf einem Misthaufen beteten. Es war die abscheulichste Kirche, über die sie je gestolpert waren. Die Kirchensitze waren wie eine Reihe von Bischöfen in zerlumpten Kleidern in eine Ecke geschoben worden; die Teppiche vor den Stühlen hatten Furchen, in denen eine Jarmulke oder eine Maus verschwinden konnte. Die Empore für die Frauen,
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