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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Arbeitskittel eines Kleinkrämers. Sein üppiger Leib war gänzlich ungekämmt. Die Augenbrauen wuchsen wild aus seinem Kopf. Ein Kürschner hätte ihn um das Haar auf seinen Knöcheln und seinen Handgelenken beneidet. Der Fahrer konnte nicht glauben, dass dieser alte Mann das Gewimmel von Bullenwagen auf der Boston Road hervorgebracht haben sollte.
    »Zisch ab«, sagte der Ire und stopfte dem Fahrer einen Zwanzigdollarschein in die Tasche. Der Fahrer schüttelte den Kopf. Er war in einem Niemandsland, vor einem Süßwarenladen, der zwischen Ruinen stand, umgeben von einer unwirksamen Armee von Bullen in grünen Schlitten. Er winkte dem kleinen Jerónimo zu, weil er es eilig hatte, aus der Schusslinie zu kommen. »Danke«, gurrte er Patrick Silver nach. »Danke.«
    Papa Guzmann wartete, bis das Taxi fort war, ehe er Jerónimo umarmte. Er hatte darauf gebrannt, den Jungen zu berühren, seinem ältesten Sohn die Ohren zu kraulen, doch in Gegenwart von Fremden hopste er nicht um Jerónimo rum. Die Guzmanns waren ein sensibles Völkchen. Den großen Mandés konnte Papa dulden. Silver arbeitete für ihn. Und Silver hatte keinen verschlagenen Geruch. Papa beurteilte Menschen mit der Nase. Beim allerersten Schnuppern konnte er ein verlogenes, sündiges Geschöpf aussondern.
    Er brachte Jerónimo in den Süßwarenladen, fort von dem Smog der Boston Road. Jerónimo maunzte nach seinen Brüdern. Zwei von ihnen kamen in ihren Schlafanzügen aus dem Hinterzimmer, in dem Kojen und ein Kinderbett (für Jerónimo) standen und das als Zwischenstation für Cousins aus Peru und Taschendiebe aus Ecuador und Miami diente, denen Papas Freigebigkeit zuteil wurde. Die beiden Jungen mit den Schlafanzügen verschwanden in Jerónimos Umarmung, aber sie konnten nichts gegen sein Maunzen ausrichten. Jerónimo leckte ihnen mit klebriger Zunge die Stirn, und ungeheure, pfenniggroße Tränen nässten sein Gesicht. Mit dieser Energie hätte das Baby seine Großväter aus der Hölle auferstehen lassen können. César und Jorge fehlten. Jerónimo rief nach seinem jüngsten Bruder.
     
    »Zor-r-r-o.«
    Papa konnte seinem Kind nicht helfen. Papa hatte Zorro persönlich aus dem Süßwarenladen geworfen und ins Exil geschickt. Das war Isaacs Schuld. Der Chef hatte ein schwachsinniges zwölfjähriges Mädchen aufgetrieben, das vor drei zweiten Bezirksstaatsanwälten und einem Richter aus Manhattan beeidete, César Guzmann, alias Zorro, alias der Fuchs der Boston Road, habe sie an der Port Authority aus einem Bus gekapert und sie in die Prostitution verkauft. Papa war sich über die Unrichtigkeit dieser Anklage im Klaren. Kein Marrane hätte jemals eine Kuh, ein Mädchen oder ein Pferd der Sünde zugeführt. Papiere für Zorros Festnahme wurden vorbereitet. Jetzt saß Isaacs Killertrupp mit richterlichen Haftbefehlen in den Taschen auf der Boston Road. Zorro hätte es den Skalp gekostet, wenn er sich in der Nähe des Süßwarenladens hätte blicken lassen.
    Jerónimo bückte sich hinter Papas Malzmilchmaschinen und hielt Ausschau nach César und Jorge. Er fuhr mit der Faust durch Ständer mit Comic-Heften, Schulbedarf, Grußkarten und pornografischen Auslagen. Papa besaß Dioramen, in denen die Abirrungen im alten Ägypten, Frauentausch unter den Eskimos, Konkubinen auf Sardinien und Bordelle in Peru zu sehen waren. Jerónimo machte sich nichts aus Pappdeckelfrauen, die aus einer welligen Landschaft lugten. Er klappte ihnen mit einer Faust die Köpfe um.
    »Zor-r-r-o.«
    Papa bot ihm Schokoladeneiscreme, rosa Lakritzen und einen Rest zerlaufenes Marzipan an. Jerónimo erwies solchen Lebensmitteln Verachtung. Erst als er die Wände in Papas Schlafsaal abgeklopft und seine Nase unter jedes Bett gesteckt hatte, um sich zu vergewissern, dass Zorro nicht für ihn erreichbar war, setzte er sich hin, um zu essen. Er aß einen backsteingroßen Riegel Halva, weiße Schokolade, die man nicht ohne Hammer brechen konnte, ein Pfund türkischen Honig und einen Eiflip, den Papa mit einem halben Liter Sirup und fünf halben Litern Milch herstellte.
    Nichts, was es aß oder trank, konnte das Baby müde machen. Im Süßwarenladen war er ruhelos. Papa hatte ihn fortgegeben. Jetzt lebte er mit Patrick Silver im Keller einer Synagoge. Mit den Händen auf dem Bauch schlurfte er durch den Schlafsaal, aber er konnte sich nicht mit seinem alten Kinderbett anfreunden. Er hielt seine Schläfchen in Silvers Bett ab.
    Das nervöse Herumlaufen des Babys betrübte Papa. Er murmelte mit

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