Das Isaac-Quartett
Silver, um sich von Jerónimos Entfremdung im Süßwarenladen abzulenken.
»Suchen die Bullen deine Synagoge heim, Ire?«
»Kein bisschen, Moses. Bei mir ist Jerónimo sicher.«
Papa grub einen Finger in seinen Arbeitskittel. »Isaac hat seine Spione. Könnte er nicht einen in die Gemeinde einschleusen?«
»Keine Sorge, Moses. Seit vierzig Jahren haben wir kein neues Gesicht mehr in der Schul gesehen. Außerdem kann man nicht viele Pistolen unter einem Gebetsschal verstecken.«
»Bring ihn nach Hause, Ire«, sagte Papa und sah das Baby von der Seite an. »Er ist über die Leute hier hinausgewachsen. Keiner meiner anderen Jungen ist jemals in einer jüdischen Kirche gewesen.«
»Soll ich nächste Woche mit ihm kommen?«
»Nein«, sagte Papa. »Isaacs Kinder kommen zu nah. In ein paar Tagen stehen grüne Limousinen auf meiner Theke.«
Silver verstand Papas Bitterkeit über die grünen Limousinen. Bis Isaacs »Kinder« in der Boston Road eingetroffen waren, war Papas Süßwarenladen die erfolgreichste Wettannahmestelle der östlichen Bronx gewesen. Doch jetzt war die Boston Road ausgestorben. Papas Schieber konnten ihre Lotteriescheine essen. Die grünen Wagen verfolgten sie überall. Sie konnten kein Fünfcentspiel von einem Schweinemetzger in der Charlotte Street annehmen, ohne von den Bullen belästigt zu werden. Kriminalbeamte zischten ihnen zu und pochten gegen die Scheibe des Schweinemetzgers. Die Schieber kamen mit einem Zucken in den Lidern zu Papa. Papa musste sie gehen lassen. »Chepe, hier ist ein Fünfziger. Zier dich nicht. Hast du nicht eine Tante in New Jersey? Besuch sie eine Weile. Ich sage dir Bescheid, wenn du wieder zurückkommen sollst.«
Vater Isaac hatte den Süßwarenladen in ein Grab für Guzmanns verwandelt. Jorge war der einzige, der ein- und auskroch. Papa heftete ihm einen Einkaufszettel an sein Hemd (Jorge konnte sich die Namen der verschiedenen Haferflocken und dergleichen nicht merken) und schickte ihn in die Bodega auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Bullen fürchteten sich vor Jorge. Er war der Junge, der einen Polizeibeamten aus einem Wagen holen und ihm die Kleider vom Leib schütteln konnte. Jorge konnte zudrücken wie eine Python. Das war nicht gerecht. Isaacs »Kinder« hatten ein komplettes Waffenlager in ihren Wagen. Totschläger und Knüppel wären auf Jorges Schädel zersplittert. Schrotflinten waren unangebracht. Ein Kriminalbeamter kannte seine Grenzen. Man konnte einem Mann nicht mitten auf der Boston Road eine Kugel in den Schädel jagen.
Papa ließ das Baby mit einem neuen Vorrat an Karamellen ziehen. »Jerónimo, hör auf den Iren. Er ist jetzt dein Vater. Vergiss nicht, dir den Mund zu waschen. Wenn du dich schlecht benimmst, scheren dir die Juden den Kopf.« Das Baby küsste seine Brüder und ging mit Patrick Silver.
Patrick war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Die Bullenwagen, die um seine Füße herumholperten, brachten ihn nicht dazu, sich auf den Gehweg zu verdrücken. Ein Sergeant verhöhnte Patrick und das Baby aus seinem kugelsicheren Wagen heraus. »Patrick, hör auf, Papa in den Arsch zu kriechen. Wenn du uns den Schwachkopf gibst, brauchst du nicht mehr den Sklaven für die Guzmanns zu spielen. Ich kann dir deine Knarre und dein Abzeichen versprechen.«
Patrick schlug dem Sergeanten auf die Stoßstange. »Du kannst ihn haben, aber nicht allein. Das Kerlchen geht dahin, wohin ich gehe.« Er machte die Tür auf und stieg mit Jerónimo ein; den Sergeanten stieß er auf die äußerste Kante seines Sitzes. Der Sergeant brach sein Unbehagen mit einem Lächeln.
»Ich könnte dich direkt ins Präsidium fahren, Silver. Isaac wird wissen, was mit dem Schwachkopf zu geschehen hat.«
»Isaac und ich haben denselben Rabbi. Sein Name lautet O’Roarke. Der First Dep wacht über mich. Wir waren im selben Clan. Unsere Leute stammen aus dem Königreich Limerick. O’Roarke wird dir die Finger zermalmen, wenn du mir krumm kommst. Wir fahren jetzt in die Bethune Street. Danke. Eil dich, ich komme zu spät zum Abendgebet.«
Papa war nicht blind. Er sah das Baby in einem Polizeiwagen sitzen. Silvers Nähe zur Polizei war ein Segen für Papa. Ein gewöhnlicher Gorilla hätte dem Baby nicht das Leben retten können. Papa hatte keine Wahl. Es gab nur die Synagoge oder den Süßwarenladen, und Papa setzte kein Vertrauen mehr in sich selbst. In Peru hatte er Lamascheiße gefressen und das Blut einer Bergziege getrunken, um dem Hungertod zu entgehen,
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