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Das Ist Mein Blut

Titel: Das Ist Mein Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrun Arenz
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eine Viertelstunde nach der vereinbarten Zeit gekommen war. Er war wütend, hatte aber keine große Lust, einen Streit zu beginnen, und beschloss, dann eben schon am Abend heimzufahren. Er fand meine Mutter, die im achten Monat schwanger war, in einem fürchterlichen Zustand, halb bewusstlos vor Schmerzen. Er dachte erst: Frühgeburt, und dann: noch eine Fehlgeburt, und brachte sie so schnell es ging ins Krankenhaus. Als er ankam, war sie nicht mehr bei Bewusstsein.«
    Die Ärzte im Krankenhaus taten, was sie konnten, und fanden ein Unterleibsgeschwür, das sie schon die ganze Zeit gequält haben musste. Wäre es früher entdeckt worden, wäre die Behandlung keine große Sache gewesen, aber in ihrem Zustand, schwanger und von zu langer Krankheit geschwächt … Sie konnten dem Ehemann nicht viel Hoffnung machen. Als nach schier unendlichen Stunden klar war, dass sowohl die Mutter als auch das Kind, obwohl eine Frühgeburt, am Leben und außer Gefahr waren, schwor Wolfgang Hahn, ein frommer Katholik, aus Dankbarkeit, etwas zu tun. Er spendete eine beträchtliche Summe für ein Frauenhilfswerk in Afrika und, gewissermaßen um die Sache abzurunden, verschenkte er auch den Kelch. Sein Vater wollte ihn einer katholischen Kirche spenden, aber Julia Hahn war evangelisch und in Buchfeld aufgewachsen; sie bestand deshalb darauf, schloss der Antiquitätenhändler, ihre frühere Kirche St. Koloman zu bedenken.
    »Und ließ ihr Vater den Kelch neu anfertigen?«, fragte Römer nach.
    »Nein, er hatte ihn schon.« Der Mann zog mit einem schlanken Finger die Schnitzarbeit der Stuhllehne nach. »Ich habe keine Ahnung, woher.«
    »Er hatte ihn schon«, wiederholte der Pfarrer nachdenklich. In die Stille, die seinen Worten folgte, ertönte auf einmal die Klingel über der Ladentür. Ein weißhaariger, hagerer Mann trat ein und blinzelte, wie Römer zuvor, erst einmal in die Düsternis des Ladens.
    »Ach, Herr Weiher«, begrüßte Hahn den alten Mann. »Schön, Sie auch einmal wieder zu sehen.«
    Römer stand auf, bedachte Hahn mit einer Geste, die gleichzeitig Dank, Entschuldigung und Verabschiedung ausdrücken sollte, und wandte sich der Aufgabe zu, durch den überfüllten Laden seinen Weg nach draußen zu suchen, als der Alte den Antiquitätenhändler fragte: »Ist meine Tochter in den letzten Tagen bei Ihnen vorbeigekommen?«
    Es waren nicht die Worte des Mannes, die Römers Aufmerksamkeit erregten, und auch nicht der Ton der trockenen alten Stimme, sondern die Reaktion des Ladeninhabers. Hahn zögerte – zögerte einen Moment zu lang, und sein Blick zuckte unwillkürlich zu Römer hinüber, ehe er lächelte und antwortete: »Nicht, solang ich hier war. Ich habe sie schon eine Weile nicht gesehen. Wenn sie kürzlich im Laden war, dann bei meinem Vater.«
    Er stellte nicht die naheliegende, die logische Frage, weshalb sein Besucher das wissen wollte, und diese Unterlassung fand Römer eigenartig. Er beeilte sich, nach draußen zu kommen, und dann tat er etwas, was ihn selbst vielleicht am meisten überraschte. Im Fenster des kleinen Cafés gegenüber wartete er darauf, dass der alte Mann das Antiquitätengeschäft wieder verließ. Es dauerte ziemlich genau zehn Minuten, keine unvernünftige Zeitspanne in einem solchen Laden, wenn man nichts kaufte – und Weiher hatte keine Tasche in der Hand, als er wieder über die Schwelle trat. Aber auch keine unvernünftige Zeitspanne für ein kurzes Gespräch, wenn man eine ganz bestimmte Frage stellen wollte und zuvor noch keine Antwort erhalten hatte, oder zumindest keine wahre. Nachdem Weiher Hahns Laden verlassen hatte, ging er zu einem der Autos, die direkt vor dem Café parkten. Römer sah ihn mit langsamen, von Müdigkeit oder Mutlosigkeit zeugenden Bewegungen die Autotür aufschließen und sich hinters Steuer setzen. Er sah auch, wie der weißhaarige Alte einen Moment lang reglos dasaß, ehe er sich anschnallte und den Motor anließ. Der Pfarrer konnte einen Blick auf das Nummernschild werfen – ein Weißenburger Kennzeichen, wie erwartet. WUG‑HC 34 … Römer schüttelte heftig den Kopf, verärgert über sich selbst. Jetzt saß er doch hier, als ob er Detektiv spielen wollte, nachdem er dem Kommissar am Tag zuvor das Gegenteil beteuert hatte. Und nur, weil der Antiquitätenhändler über mehrere Ecken mit dem Abendmahlskelch zu tun hatte, und nur weil er gezögert hatte, ehe er Weiher eine Antwort gab, bildete er sich jetzt ein, hier gehe etwas Seltsames vor, etwas, was mit dem

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