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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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herumlaufen zu lassen. Victor wirkte etwas verwirrt, stimmte aber zu, weil er glaubte, dass ich wegen der Medikamente noch nicht ganz da wäre. Das stimmte auch, aber es änderte nichts an meinem festen Vorsatz. Haileys Leben sollte von Ballettunterricht und Museumsbesuchen bestimmt sein, sie sollte nie nach draußen zu den Käfigen im Garten gehen, um Luchse anzusehen, und dabei feststellen müssen, dass ein wilder Waschbär ihrer zahmen Ente den Schnabel weggefressen hatte.
    Nach Haileys Geburt hatten Victor und ich uns in einem Vorort von Houston niedergelassen und ich hatte mich nach Kräften bemüht, dort heimisch zu werden, allerdings vergeblich. Jetzt war Hailey fast vier, ein behütetes Mädchen, nur ein wenig blass von dem Mangel an Sonne in ihrer kleinen privatenVorschule, wo sie Musik- und Tanzunterricht hatte und lernte, genauso zu sein wie alle anderen. Wir schickten sie auch zum Turnen, aber die anderen Vorschüler trainierten offenbar für Olympia und gleich mehrere Mütter sprachen davon, ihr Kleinkind auf Diät zu setzen, was nun wirklich eine vollkommene Schnapsidee war. Also nahmen wir Hailey wieder heraus und ließen sie auf dem Sofa zu Hause hüpfen. Trotzdem war sie auf dem besten Weg in ein wunderbar angepasstes, normales und angenehmes Leben,
was wiederum mir eine Heidenangst machte.
Weil ich nicht sicher war, ob ich ihr wirklich einen Gefallen tat, wenn ich sie vor einem Leben schützte, das ich, wie ich jetzt feststellte, tatsächlich vermisste, und auch weil Hailey mir zugegebenermaßen ein wenig leid tat. Weil sie keine Kanäle erkunden oder Rehe im Garten füttern konnte und sich später nicht daran erinnern würde, wie sie im Haus mit kleinen Waschbären gespielt hatte. Natürlich hatten wir unsere Katzen und Hailey liebte unseren süßen Mops Barnaby Jones Pickles heiß und innig, ein Wahnsinnstier (kein anderes unserer Tiere kam Laura Ingalls gescheckter Bulldogge so nahe), aber er konnte keine Badewanne voller Waschbärenjungen ersetzen, was er vermutlich sogar selber eingesehen hätte.
    Deshalb redete ich auf Victor ein, wir sollten aufs Land ziehen, auf ein großes Grundstück. Dort konnte Hailey sich bewegen und die Umgebung erkunden und das verkorkste Landleben kennenlernen, das Victor und mich geprägt hatte, die wir so taten, als wären wir in den verschiedensten gesellschaftlichen Kreisen zu Hause, ohne es je wirklich zu sein. Wir dachten beide voller Liebe an unsere Kindheit inmitten der weiten, offenen Landschaft zurück und mir wurde zu meinem Schrecken klar, dass mir jetzt, wo ich das angenehme, aber langweilige Leben in der Stadt kennengelernt hatte, meine Kindheit auf dem Land, vor der ich Hailey hatte bewahren wollen, auf einmal sehr vielbedeutete. Hitze, wilde Tiere und Einsamkeit hatten mich zu der Person gemacht, die ich heute war, und ich war stolz auf die holprigen Stellen auf dem Weg, den ich gekommen war. Es kam mir auf einmal unfair vor, Hailey ein solches Leben vorzuenthalten. Aufs Land zu ziehen schien die perfekte Lösung.
    West-Texas hatte sich so sehr verändert, dass es sich nicht mehr wie Zuhause anfühlte, aber wir fanden schließlich ein Haus in Hill Country, eine Stunde außerhalb von Austin. Es lag in einem kleinen Dorf, fünfzig Kilometer vom nächsten Lebensmittelgeschäft entfernt, aber war es dort ruhig und schön, und zum Haus gehörten einige Morgen bewaldetes Gelände und eine schöne, weitläufige Wiese voller blauer Lupinen. Ich fühlte mich wie zu Hause. Und unsere beiden Arbeitszimmer lagen an entgegengesetzten Enden des Hauses und hatten beide Türen, die man tatsächlich zumachen konnte.
    Und es gab Sonne:

    Wie immer beim Kauf eines neuen Hauses erkundigte Victor sich nach Steuern und besonderen Auflagen, während ich die beiden Fragen stellte, die in mein Ressort fielen: »Ist in diesem Haus schon mal jemand gestorben?« und »Wie viele Leichen sind auf dem Grundstück beerdigt?« Ich gehe immer davon aus, dass Immobilienmakler die erste Frage ehrlich beantworten,weil sie das vom Gesetz her wahrscheinlich müssen, aber für die zweite Frage gilt das vermutlich nicht. Früher habe ich gefragt, ob
irgend
jemand auf dem Grundstück beerdigt wäre, ich glaube aber nicht, dass die Makler darauf ehrlich geantwortet haben, deshalb frage ich inzwischen,
wie viele
auf dem Grundstück begraben sind, weil das klingt, als rechnete ich damit als etwas völlig Normalem, und dann sind die Makler erleichtert und lassen in einer Nebenbemerkung fallen,

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