Das ist nicht wahr, oder?
unserem Einzug recherchierte ich die Geschichte unserer neuen Umgebung und fand heraus, dass wir am Rand des »Devil’s Backbone« wohnten, einer besonders verwunschenen Gegend von Texas. Geistergeschichten haben mich immer fasziniert, deshalb machte mir das nichts aus, biseine Nachbarin mir von den Toten erzählte, die man an der Straße begraben hätte. »Wer wurde wo begraben?«, fragte ich. Wie sich herausstellte, war eine Familie in ihrem Garten begraben worden, der inzwischen allerdings vollkommen zugewachsen war, weshalb niemand mehr genau wusste, wo die Gräber lagen. Das ließ mir keine Ruhe. Nicht dass irgendwo an der Straße ein improvisierter Friedhof lag (tote Nachbarn sind ruhige Nachbarn … ich glaube, das hat Robert Frost gesagt), sondern dass es irgendwo hier einen Friedhof gab, den niemand mehr finden konnte. Hatte man ihn überbaut? Waren die Gräber noch frisch? Ich war so froh gewesen, dass wir weit draußen auf dem Land lebten und nicht mehr von Horden von Zombies aus überbevölkerten Städten überfallen werden konnten, aber jetzt machte mir zu schaffen, dass wir im Fall einer Zombie-Apokalypse womöglich ganz in der Nähe einheimische Zombies hatten, aber nicht wussten, aus welcher Richtung sie kamen. Ich machte mir Sorgen. Victor auch. Er meinte, er wäre froh, wenn ich vor unseren Nachbarn nicht mehr von der Zombie-Apokalypse sprechen würde. »Aber unsere Nachbarin muss es wissen«, erwiderte ich und ich sagte, wir müssten diese Gräber finden, sonst könnte ich nicht mehr schlafen.
»Nein«, sagte Victor entschieden. »Wir ziehen nicht durch den Wald und suchen nach Gräbern für den unwahrscheinlichen Fall einer Zombie-Apokalypse.«
»SEI WACHSAM«, sagte (oder schrie) ich.
»Ich tu das für uns alle, du Arschloch.«
Was auch stimmte. Wir hatten irgendwo in der Nähe einen Zombiegarten und ich wollte sichergehen, dass die Zombies aufgrund seines Alters keine Bedrohung mehr darstellten. Wir stritten uns einige Tage, bis Victor sich schließlich bereiterklärte, nach den Gräbern zu suchen, wahrscheinlich weil er eingesehen hatte, dass der Beschützer des Hauses eben für einige unangenehme Dinge zuständig ist. Odervielleicht weil ich ihn durchgehend alle drei Stunden weckte und fragte, ob er auch dieses schlurfende Geräusch von der hinteren Veranda gehört hätte, das irgendwie hungrig klang.
Victor trieb einen Einheimischen auf, der behauptete zu wissen, wo die Gräber lagen, und der meinte, wir bräuchten nur der Landstraße am Ende der Straße zu folgen. Nur dass am Ende der Straße nirgends eine weitere Straße zu sehen war. Ich zeigte auf zwei überwachsene Spuren im Gras. »Wahrscheinlich meint er die.«
»Das ist doch keine Straße«, erwiderte Victor abschätzig, aber sonst war nichts zu sehen.
»Es ist sehr wohl eine Straße«, erklärte ich. »Und zwar deshalb, weil daneben ein Hydrant steht.«
Victor starrte mich entnervt an, dann biss er grimmig die Zähne zusammen und bog in die Straße ein, die keine war. Einige Minuten und eine eingedellte Ölwanne später war auch sie zu Ende. Victor warf mir einen bösen Blick zu. Da kam plötzlich etwas aus den Büschen gerannt und ich schrie: »CHUPACABRA!« Victor stieg voll auf die Bremse und sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Wahrscheinlich weil ich so durcheinander war, dass ich versehentlich »CHALUPA!« gerufen habe, was nun wirklich verwirrend ist, wenn man von einem gefährlichen Tier angegriffen wird. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, man kann von niemandem erwarten, dass man sich korrekt ausdrückt, wenn man soeben ein mexikanisches Monster durch den Wald hat laufen sehen, das Ziegen das Blut aussaugt. Victor meinte, er würde mir ja recht geben, wenn der Chupacabra nicht in Wirklichkeit nur ein kleines Reh gewesen wäre. Er deprimierte mich kolossal. Zum einen wohnten wir demnachin einer Gegend, in der es nur so vor Chupacabras 15 wimmelte, die sich hervorragend darauf verstanden, Rehe zu imitieren, zum anderen fanden wir die Gräber nicht.
Und
ich hatte jetzt Appetit auf eine Chalupa, aber es gab im Umkreis von hundert Kilometern keinen Taco. Es war ein Misserfolg auf der ganzen Linie, aber ich tröstete Victor damit, dass wir wenigstens keine Ziegen hätten und deshalb auch nicht zu fürchten bräuchten, dass ihnen das Blut ausgesaugt würde. Victor verbot mir daraufhin, noch etwas zu sagen, und meinte dann noch (zum ersten von insgesamt achttausend Mal), es wäre ein kapitaler Fehler gewesen,
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