Das ist nicht wahr, oder?
dass dieser Abschnitt falsch übersetzt ist, denn man soll doch wohl kaum Nadeln in Föten stechen. Ich nehme mir in Gedanken vor, meine Frauenärztin danach zu fragen. Dann beschließe ich, es doch nicht zu tun, denn selbst wenn ich den Abschnitt korrekt wiedergebe, macht die Frage, ob man Nadeln in Föten stechen darf, den nächsten PAP-Abstrich nur noch peinlicher.
6.
Vierundvierzig Nadeln später. Einige Einstiche bluten, die anderen kribbeln nach einiger Zeit so komisch. Der Arzt geht und du willst an dir hinuntersehen, aber das geht nicht, weil du damit die Nadeln in deinem Hals stärker in dich hineindrückst. Weil du unter Schock stehst, wirst du ohnmächtig. Der Akupunkteur kommt zurück und behauptet dreist, du wärst wegen des vielen Qi eingeschlafen. Ich stimme ihm zu, wenn Qi im Chinesischen »massiven Blutverlust« bedeutet.
7.
Die vierundvierzig Nadeln werden gezogen. Du willst gehen, aber der Arzt lacht und sagt, er hätte gerade erst angefangen und jetzt wäre die »Lückenseite« dran. Du fragst »Meine
Lücken seite
?« und er: »Nein, Ihre
Lücken seite
.« Daraufhin ruft die Praxishilfe von draußen: »IHRE RÜCKSEITE«, und er nickt. »Ja, Ihre Lückenseite.« Wahnsinn.
8.
Noch einmal zweiundvierzig Nadeln. Alle in meine Lückenseite. Zwei davon tun höllisch weh und bluten heftig. In dir keimt der Verdacht, der Akupunkteur könnte einfach wütend auf dich sein. Du versuchst zu erklären, dass du nicht zu der Frau im Wartezimmer gehörst, deren Sohn mit seinen Soldaten den Schrein beschlagnahmt hat. Er glaubt dir kein Wort.
9.
Die zweiundvierzig Nadeln kommen wieder heraus. Der Akupunkteur gießt eine Art Flüssigkeit auf die Haut, der ich den Namen »Stinkesaft« gegeben habe. Anschließend massiert er sie ein, bis man stinkt wie eine alte, in Patschuli und Wick Vaporub gelagerte Socke.
10.
Anschließend hört man ein Feuerzeug klicken und befürchtet, dass er als Nächstes deine Haare anzündet, aber dann erklärt er, er wollte dich jetzt noch ein wenig »schröpfen«.Das klang überhaupt nicht passend und ich wollte schon protestieren, aber da hatte der Arzt schon einen mit Alkohol getränkten Wattebausch in einem Glas angezündet und das Glas anschließend auf die Haut gesetzt, wo es ein Vakuum erzeugte und einen riesigen Knutschfleck. Was bei längerem Nachdenken auch irgendwie unpassend ist.
11.
Dann faltet der Akupunkteur ein mit einem weißen Pulver gefülltes Papiertaschentuch auf, reicht es dir und sieht dich erwartungsvoll an. Darauf du: »Ich …
ich soll das wirklich schnupfen?«
Und er schüttelt den Kopf über deine Begriffsstutzigkeit, lässt dich den Mund aufmachen und schüttet das Zeug hinein, das aussieht wie das Innere eines Pediküreraspels. Er lacht über deinen entsetzten Blick und reicht dir ein Wasserglas, mit dem du dir den Mund ausspülen und das Pulver hinunterschlucken sollst. Dann sagt er: »Ginseng-Tee zum Entgiften.« Und du:
»Aber Tee macht man doch ganz anders.«
Und er lächelt nur und geht hinaus und du wunderst dich, warum du gerade einem wildfremden Chinesen erlaubt hast, dich mit einem mysteriösen, in Papier eingeschlagenen Pulver zu füttern, obwohl er noch nicht einmal weiß, wie man Tee kocht. Und weil es auf diese Frage überhaupt keine gute Antwort gibt, wunderst du dich immer weiter.
12.
Der Akupunkteur geht und du ziehst dich an und bist ein wenig verärgert und ratlos, aber dann merkst du auf einmal, dass du zum ersten Mal in dieser Woche deine Bluse anziehen kannst, ohne vor Schmerzen aufzuschreien. Daraufhin machst du gleich einen zweiten Termin für die nächste Woche aus. Nur dein Mann schreit, er wird dich nie wieder hinbringen, weil sein Auto jetzt angeblich nach »altem, ungewaschenem Hippie« stinkt.
Du machst einen Deal: Im Austausch gegen pflanzliche Präparate, Öl, Akupunktur und Krebsmedikamente hast du gelegentlich schmerzfreie Tage. Tage, die du genießt, weil niemand am Morgen sechsundachtzig Nadeln in dich hineingesteckt hat. Tage, an denen du spontan im Garten picknickst, weil du die Knie beugen kannst. Tage, an denen Studien erscheinen, denen zufolge Alkohol arthritische Anfälle lindern kann. Das sind die goldenen Tage.
Und selbst an Tagen, an denen ich im Bett liege und mich nicht rühren kann, bin ich dankbar dafür, dass meine Tochter sich an mich kuschelt und mit mir alte Folgen von UNSERE KLEINE FARM ansieht. Ich versuche, dankbar für das zu sein, was ich habe, statt damit zu hadern, was ich nicht mehr habe. Ich
Weitere Kostenlose Bücher