Das ist nicht wahr, oder?
diesem Augenblick erschien wieder meine Nachbarin.
Sie wirkte diesmal noch besorgter, vielleicht weil ich so laut Bonnie Tyler schmetterte, heulte und mit einer Machete über einem teilweise geschändeten Grab herumfuchtelte. Oder vielleicht weil sie dachte: »Du machst doch das Headset ganz schmutzig.« Die Menschen sind schon seltsam und man weißnie, was in ihren Köpfen vorgeht. Dann sah sie zu den Geiern hinauf, begriff sofort, was los war, und holte eine große, blaue Plastikplane, mit der wir Barnaby zudeckten. Die Ränder der Plane beschwerten wir mit großen Steinen. Die Geier waren sauer, aber ich war so dankbar, dass ich heulte. Dann ging ich nach drinnen und duschte eine halbe Ewigkeit. Als ich nach draußen zurückkehrte, musste ich erkennen, dass Geier überraschend starke Vögel sind und dass die blaue Plane für sie eine Art Zauberwürfel war: Jeder Vogel zog an einer Ecke, um das Rätsel zu lösen. Ich war mit den Nerven am Ende, aber wenigstens sorgte ich für Zusammenhalt unter den Geiern.
Meine Freundin Laura (ja, dieselbe, die mich zu dem Wochenende in Wine Country geschleppt hatte) merkte, dass ich auf Twitter nur noch Beiträge über Geier, Macheten und tote Hunde schrieb und wie froh ich wäre, dass es Cartoon Network gebe, und deshalb rief sie mich an. Ich meinte sofort, es gehe mir gut und so weiter, worauf sie vorwurfsvoll erwiderte: »Aber du klingst gar nicht so. Ich komme zu dir und helfe dir, deinen toten Hund auszugraben.« Darauf ich sofort: »Nein! Den braucht niemand zu sehen. Vor allem du nicht, weil du ihn gekannt hast.« Da sagte sie: »Du klingst schrecklich. Wir sind gleich da. Ich bringe meinen Vierjährigen mit. Und eine Schaufel.« Was sie auch tat.
Ich konnte sie schlecht alleine schuften lassen, also setzten wir Hailey und Harry vor ein Videospiel und sagten, wir würden draußen im Garten arbeiten. Dann zogen wir beide Handschuhe an und Laura band sich gegen den Gestank noch ein Tuch vor die Nase. Dann brachten wir es hinter uns. Und damit meine ich, dass wir meinen Hund ausgruben und in eine Kühlbox steckten. Nur dass ich die Augen die meiste Zeit geschlossen hielt, weil ich nichts sehen wollte, und Laura mich dirigierte. »Okay, hochheben. Schaufel nach links. DASANDERE LINKS! NICHT HINSEHEN, VERDAMMT. Weiter … noch weiter … in die Box hinunterlassen … GESCHAFFT! GLÜCKWUNSCH, TEAM.«
Schaufel, Laura, Zwergenschaufel, ich.
Und dann waren wir fertig, und Laura, eine Emmy-gekrönte Frau von Welt, die Schuhe besitzt, die mehr gekostet haben als meine Hochzeit, sah mit trotzig vorgerecktem Kinn zu den Geiern hinüber (die uns aus einigen Schritten Entfernung finster anstarrten) und murmelte drohend: »Richtig, ihr Arschlöcher, es ist vorbei.« Wir fühlten uns beide supergut.
Wir schlossen die Kühlbox luftdicht ab und trugen sie in die Garage, wo sie niemanden störte, bis der Typ vom Krematorium Barnaby Jones am Montag abholte. Die ganze Aktion kam mir gleichzeitig albern und schrecklich traurig vor, aber Laura sah mich verständnisvoll an und sagte: »So. Friede den Pfoten. Kapiert? Jetzt wird gelacht.« Und das tat ich auch. Ich lachte zum ersten Mal seit Tagen, während ich meinen süßen, toten Hund aus seinem geschändeten kleinen Grab in die Garage trug. Und dabei wurde mir auch klar, was für ein unglaubliches Glück ich hatte, Freundinnen wie Laura zu besitzen. Weil sie mit etwas so Schrecklichem und Traumatischem so umgeht, dass es … erträglich wird. Und auch weil sie, als ich mich zum achtzehnten Mal dafür entschuldigte, sie in so was reingezogen zu haben, nur sagte: »Das macht überhaupt nichts«, mit einer wegwerfenden Handbewegung, als hätte ich nur meinen Martini auf dem Tisch verschüttet. Dann sagte sie noch: »Eh, dein Hund ist wie Jesus. Er ist am dritten Tag auferstanden.« Und ich sagte, dann wäre sie wie Maria Magdalena, nur »weniger Hure«. Darauf LAURA »Gut, wir machen hier keinen Wettbewerb.« Dann gingen wir nach drinnen und schrubbten uns zwei Stunden lang die Hände, und dann sagte Laura, sie hätte in ihrer Handtasche alles dabei, um eine frische Salsa zuzubereiten, inklusive Bier und einer ganz kleinen Küchenmaschine, weil sieweiß, dass ich so was nicht besitze. Ihre Handtasche war wie eine Wundertüte. Ich sah hinein und fragte, wo das Pony wäre. »Igitt«, sagte sie und musterte mich zum ersten Mal an diesem Tag kritisch. »Wer tut denn ein Pony in Salsa? Du bist mir vielleicht eine lausige Köchin.« So kam es,
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