Das ist nicht wahr, oder?
ich, Hailey könnte mitbekommen, wie die Geier Barnaby aus dem Grab zerrten. Sie hatte schon misstrauisch zu den großen Vögeln hinausgesehen und gefragt, warum sie da wären. »Sie … beten«, sagte ich, weil mir das als Erstes einfiel. »Sie beten und halten eine Totenfeier für Barnaby ab.« Zum Glück leuchtete das einer mit abstrusen Disneyfilmen aufgewachsenen Sechsjährigen vollkommen ein.
Ich rief wieder Victor an. »Barnaby Jones Pickles wurde übrigens von einem Hai getötet.«
»Wie bitte?«, fragte er entgeistert.
»Nur ein Scherz. Aber er steigt gerade aus dem Grab.«
»Ich bin hier mitten in der Arbeit«, flüsterte Victor. Er klang ein wenig gestresst. »Bist du betrunken?«
»Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so nüchtern
oder habe so dringend einen Drink gebraucht.«
Victor legte auf und kehrte an seine Arbeit zurück, und ich erwog, unsere sämtlichen Hauskatzen nach draußen zu verlegen, um die Geier zu verjagen, aber ich hatte Angst, sie könnten nicht mehr zurückfinden, weil sie noch nie draußen gewesen waren, oder die Geier könnten sie als leichter zugänglichen Snack betrachten und mitnehmen. Das wäre nicht nur niederschmetternd gewesen,sondern mir war auch völlig klar, wenn ich an einem einzigen Wochenende versehentlich all unsere Haustiere tötete, würde Victor mich nie mehr allein lassen und wahrscheinlich auch die Machete verstecken. Ich beschloss deshalb, nur die Vorhänge zuzuziehen und so zu tun, als wäre draußen absolut nichts los.
3. TAG
»Ach du heilige Scheiße«, dachte ich. »Da ist absolut doch was los.«
Ein Dutzend Geier umschwirrten Barnabys Grab und stießen die Steine zur Seite. Ich rief bei einer Million (eine Million = vierzehn) Stellen an, weil jemand kommen und meinen Hund ausgraben sollte – teilweise hatten das bereits die ekligen Geier erledigt, die ich mit meiner Machete angegriffen hatte –, aber niemand war dazu bereit, denn es war Wochenende. Offenbar besteht der Bedarf, Hundekadaver auszugraben, nur von Montag bis Freitag. Dann stieß ich im Internet auf die Anzeige eines Typen, der behauptete, gegen entsprechende Bezahlung »absolut jeden Job« zu übernehmen, aber bei weiteren Recherchen zu seinem Namen fand ich heraus, dass er auch Anzeigen für Leute schaltete, die Prostituierte suchten, er war also im Grunde ein Zuhälter, und ich wollte keinen Zuhälter kommen lassen, wenn Hailey und ich allein zu Hause waren. »WARUM IST VICTOR IMMER NOCH VERREIST?«, schrie ich in Gedanken.
Ich rief ihn wieder an. »Barnaby Jones wurde übrigens von einer Horde von … ach, ich weiß auch nicht. Ich habe nicht einmal mehr die Kraft, mir irgendeinen Unsinn auszudenken. Aber ich habe einen Zuhälter gefunden, der kommt und Barnaby ausgräbt.« Victor gab zu bedenken, dass die »Jobs« des Zuhälters sich wahrscheinlich weniger auf auszugrabende tote Tiere bezogen und mehr mit Händen und Blasen zu tun hattenund dass er womöglich auch noch drogensüchtig war, worauf ich sofort sagte: »Ich kann ihn nicht mit Kokain bezahlen. ICH WÜSSTE NICHT MAL, WO ICH WELCHES HERKRIEGE.« Da meinte Victor, ich sollte doch in ein Hotel ziehen, und er würde sich um alles kümmern, wenn er in ein paar Tagen zurückkäme. Ich war versucht, darauf einzugehen, sagte dann aber, ich hätte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich bei Barnabys Tod nicht dagewesen wäre, deshalb könnte ich ihn jetzt, wo er gefressen würde, unmöglich im Stich lassen. Victor sagte, ich sollte mich beruhigen, ich würde klingen, als hyperventilierte ich. Ich erwiderte, ich wäre nur außer Atem, weil ich draußen stehen und die Geier mit der Machete verscheuchen würde.
Da begriff Victor, dass ich offenbar seine Freisprechanlage benützte, und wurde richtig stinksauer, weil ich sie bestimmt mit meinen Schweiß schmutzig machte. Und da beendete ich das Gespräch. Weil ein verschwitztes Headset doch wirklich Peanuts ist im Vergleich dazu, dass ich mit einer Machete riesige Raubvögel verscheuchen und zugleich überlegen musste, ob ich einen Zuhälter mit der Exhumierung unseres toten Hundes beauftragen wollte. Victor brüllte mich allerdings trotzdem weiter an, weil ich nicht wirklich wusste, wie man mit einem Headset ein Gespräch beendet, aber ich erklärte, er könnte sich die Worte sparen, ich hätte in Gedanken schon aufgelegt und würde ihm nicht mehr zuhören. Daraufhin wurde er noch lauter, also begann ich, »Total Eclipse of the Heart« zu singen, um ihn zu übertönen, und in
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