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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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Die anderen starren mich an und ich lächle kläglich und stürze aus dem Restaurant. Die anderen versuchen mich zu verstehen, sie verstehen mich aber nicht. Ich renne nach draußen, weg von den besorgten Blicken derer, die mich mögen oder fürchten, und der Fremden, die sich fragen, was ich habe. Ich hoffe vergebens, dass sie mich nur für betrunken halten, aber ich weiß, dass sie es wissen. Meine wirren Blicke schreien es förmlich heraus: »PSYCHISCH GESTÖRT.«
    Später findet mich dann jemand zusammengekauert draußen vor dem Restaurant, legt mir eine kühle Hand auf den fieberheißen Rücken und will mich trösten. Ich werde gefragt, ob es mir wieder besser geht, und wenn der Fragende meine Geschichte kennt, fragt er besonders schonend. Ich nicke, versuche ein entschuldigendes Lächeln und verdrehe ein wenig selbstironisch die Augen, um nichts sagen zu müssen. Die anderen glauben, ich tue das aus Verlegenheit, und ich lasse sie inihrem Glauben, weil es einfacher ist und auch weil mein Auftritt mir tatsächlich peinlich ist. Aber das ist nicht der Grund, warum ich nichts sage. Ich halte den Mund fest geschlossen, weil ich, wenn ich ihn öffnen würde, vielleicht schreien müsste. Die Hände tun mir weh, weil ich sie unwissentlich zu Fäusten geballt habe. Mein Körper sehnt sich mit jeder Faser danach, wegzulaufen. Meine Nerven sind überwach und zum Zerreißen gespannt. Wenn ich rechtzeitig an meine Medikamente komme, kann ich das Schlimmste verhindern … das unwillkürliche Zittern, das Gefühl, unter Strom zu stehen, die schreckliche Angst, dass die Welt gleich untergehen wird und nur ich es weiß. Wenn ich meine Medikamente nicht rechtzeitig nehmen kann, bewirken sie nichts mehr und ich liege noch tagelang schlaff herum.
    Ich kenne andere Menschen wie mich. Sie nehmen dieselben Medikamente und machen dieselben Therapien. Sie sind witzig und geistreich und vollkommen kaputt. Ich habe insofern Glück, als Victor zwar nicht versteht, was ich habe, aber es wenigstens versucht. »Entspann dich«, sagte er dann, »du brauchst hier vor absolut nichts Angst zu haben.« Ich lächle ihn dankbar an und tue so, als wollte ich genau das hören, als würden diese dummen Anwandlungen eines Tages von selbst verschwinden. Ich weiß selber, dass ich keine Angst zu haben brauche. Genau das macht es ja so schlimm.
    Das sind die unangenehmen Tage, die meiner Meinung nach Victors Einschätzung meiner sozialen Inkompetenz verzerren. An solchen Tagen denkt er bestimmt, meine Ängste und Hemmungen bei gesellschaftlichen Anlässen wären harmlos im Vergleich zu einer ausgewachsenen Panikattacke. Und dann muss ich ihm das Gegenteil beweisen.
    Typisches Beispiel: Am Wochenende nahm Victor mich zu einer Halloween-Dinnerparty seiner Abteilung mit. Ich hatteihn davor daran erinnert, dass er einen schrecklichen Fehler beging, weil er im Lauf der Jahre schon einige Male erlebt hatte, wie ich Partys versaut hatte. Aber er streichelte mir nur das Bein und versicherte mir, es würde schon alles gutgehen. Genauso hatte er unseren Kater gestreichelt, kurz bevor wir ihn hatten einschläfern lassen. Ich war überhaupt nicht beruhigt.
    Die Anfahrt dauerte lang, sehr zu meinem Nachteil, weil die Wirkung der Beruhigungsmittel, die ich genommen hatte, schon wieder nachließ und ich noch ausführlich Zeit hatte, zu überlegen, ob wir die richtigen Kostüme gewählt hatten. Wir hatten uns als Craig und Arianna verkleidet, die spartanischen Cheerleader aus SATURDAY NIGHT LIVE. Beim Kauf der Kostüme hatte ich noch geglaubt, es handle sich um allseits bekannte Ikonen der Popkultur, doch dann war Haileys Babysitterin gekommen und hatte keine Ahnung gehabt.
    »Die kennst du nicht? Die Spartaner? Aus SATURDAY NIGHT LIVE?«, fragte ich und versuchte ganz ruhig zu klingen, während Victor (der nie ein männlicher Cheerleader hatte sein wollen und mir die Wahl der Kostüme noch nicht verziehen hatte) mich nur finster anstarrte. Der Babysitterin sah mich verwirrt an. »Na los, die kennst du doch!« Ich klang vielleicht ein wenig zu schrill, und Victor zog mich am Arm, wir müssten gehen, denn bei einer solchen Gelegenheit hatten wir unsere erste Babysitterin verloren. Ich holte also tief Luft, um mich zu beruhigen, und sagte dann: »Aber so lange ist das doch noch gar nicht her, Dani. Erinnerst du dich nicht? In den Neunzigern?« Und da sagte sie doch: »Oha, in den Neunzigern bin ich erst geboren.« Und da trat ich sie in den Bauch. Aber nur in

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