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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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erleichtert, dass das Missverständnis aufgeklärt war, da rief ich inbrünstig:
»Gott sei Dank!«
Daraufhin sah er mich wieder merkwürdig an. Wahrscheinlich weil er Atheist war und nicht verstehen konnte, wie dankbar ich Gott dafür war, dass ich nicht von meinem Mann ermordet wurde, weil ich ihn gezwungen hatte, zu einer zwanglosen Party ein Cheerleader-Outfit zu tragen. Atheisten verstehen so etwas nie.
    Wenige Minuten später fuhren Victor und ich vor der richtigen Adresse vor. Das ganze Haus war für Halloween geschmückt und schon draußen waren einige Leute in Kostümen unterwegs. Ich sprach ein stummes Gebet, das wahrscheinlich nicht so stumm war, denn Victor sah mich mit seinem Stinkefinger-Blick an und schärfte mir ein, mich ab jetzt bitte tadellos zu benehmen. Er zählte auch gleich eine Liste von Themen auf, die bei einer gemischten Gesellschaft tabu waren. »Scheidung, Tod, Politik, Heroin, Sex, Krebs und Nadeln verschlucken«, leierte er herunter. »Darüber wird heute Abend nicht gesprochen.«
    »Alles klar«, versicherte ich ihm.
    Er beäugte mich misstrauisch. »Außerdem sind die meisten Gäste konservative Republikaner, sprich also
bitte
nicht davon, wie sehr du Obama magst. Ich muss mit diesen Menschenarbeiten. Und auch nicht von Vaginas oder Nekrophilie« – er war damals dabei gewesen – »oder Ninjas oder wie dein Ur-Ur-Großonkel deine Ur-Ur-Großtante mit einem Hammer erschlagen hat.« Ich nickte brav, aber die vielen Themen, die er aufgezählt hatte, setzten sich irgendwie in meinem Kopf fest und ich überlegte krampfhaft, über was ich noch reden durfte. Mir fiel nichts ein.
    Zum Glück ging es auf der Party ziemlich laut zu, und da wir uns in Texas befanden, waren die meisten Gäste schon betrunken und sehr gesprächig, ich konnte mich also darauf beschränken, stupide zu lächeln und zustimmend zu nicken, wann immer jemand etwas sagte. Wir stellten uns zu einer größeren Gruppe von Victors Kollegen. Es wäre tatsächlich schwierig gewesen, überhaupt zu Wort zu kommen, da das Gespräch von einem als John McCain (kein Witz!) verkleideten Mann dominiert wurde, der sich in einer endlosen Tirade darüber erging, dass Obama uns unsere Waffen wegnehmen wollte (»Wo will er sie denn überhaupt aufbewahren?«, fragte ich mich). Ich sah, wie Panik in Victors Augen trat und er mich stumm anflehte, den Mund zu halten, also biss ich mir auf die Zunge und zwang mich zu einem Lächeln. Victor tat einen tiefen Seufzer der Erleichterung und ich lächelte und verdrehte die Augen über seine Ängstlichkeit, aber der kostümierte McCain musste unseren Blickaustausch bemerkt haben, denn er lachte meckernd und fragte mit misstrauisch hochgezogenen Augenbrauen: »Hoppla? Haben wir da etwa eine bekennende Liberale unter uns?« Und da konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen, weil man mich doch ausdrücklich gewarnt hatte, nicht über Politik zu sprechen, ich erstarrte also in Panik und suchte angestrengt nach einer passenden Antwort, mit der ich zugleich das Thema wechseln konnte. Dann, nach einem peinlichen Moment des Schweigens, das irgendwie die ganze Gruppe erfasst hatte,platzte ich mit dem wahrscheinlich abstrusesten Satz heraus, der je auf einer Dinnerparty geäußert wurde:
    »Mir hat mal ein Serienmörder das Gesicht zerschnitten.«
    Und noch beunruhigender war, dass ich bei dieser zusammenhanglosen Bemerkung ganz ernst und geradezu gleichgültig klang. Als bekämen ständig Leute das Gesicht zerschnitten. Und? Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ich das gesagt habe. Victor sah mich an, als hätte er einen Schlaganfall, und sein Gesicht wechselte die Farbe. »Ha, ha, Schatz!«, würgte er heraus. »Was soll das jetzt?« Offenbar wollte er mir helfen, da wieder rauszukommen, oder er wollte sich einfach nur von mir distanzieren. Wahrscheinlich hätte ich alles auf den Alkohol schieben sollen, aber stattdessen versuchte ich die Situation zu retten, indem ich erklärte, der Nicht-McCain hätte von Waffen gesprochen und da wären mir Messer eingefallen und die hätten mich an damals erinnert, als der Serienmörder mit einem Messer über mich hergefallen wäre, aber meine Erklärungen machten alles nur immer noch verworrener und die Leute begannen schon Blicke zu wechseln und nervös zu lachen. Victor funkelte mich böse an und da redete ich erst recht weiter, schließlich WILL ICH DOCH IMMER ALLES WIEDER GUTMACHEN. Wenn überhaupt, hätte Victor auf McCain wütend sein müssen, der im

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