Das ist nicht wahr, oder?
Grunde doch an allem schuld war. Den Typen im Kostüm, meine ich, nicht den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten. Der war überhaupt nicht da. Ich weiß jetzt nicht, warum ich das klarstellen muss.
Victor begann sich zu räuspern und wollte das Thema wechseln, aber mal ehrlich, wenn du von einem Serienmörder angefangen hast, kannst du nicht so einfach wieder aufhören. Die Leute wollen mehr wissen und dann bemerken sie die kleine Narbe auf deinem Gesicht und da musst du ihnen unbedingt die Geschichte mit dem Serienmörder erzählen. Bestimmt denkenjetzt alle: »Wurde sie denn wirklich von einem Serienmörder überfallen?« Es hat keinen Sinn, das abzustreiten, ihr habt die Stelle gerade gelesen, also denkt ihr es natürlich. So funktioniert das mit Büchern. Und?
Velociraptor.
Ha! Ich habe gerade bewirkt, dass ihr an den Velociraptor denkt.
Wahnsinn!
Wahrscheinlich schreibt Stephen King deshalb so viele Bücher. Im Moment habe ich eure Gedanken total unter Kontrolle.
Aber die Antwort auf eure Frage lautet: »Ja sicher, selbstverständlich hat mich ein Serienmörder überfallen. Also, mehr oder weniger.« Genau das sagte ich auch den Leuten auf der Party. Victor hätte sich in diesem Moment am liebsten von mir scheiden lassen. Und das eigentliche Tragische an der Sache ist, dass im Grunde
er
an allem schuld war, denn ich wollte schon sagen, ich wäre betrunken, und mich dann im Bad verstecken, aber dann sagte Victor es zuerst und da wurde ich so wütend auf ihn, dass ich kein Blatt mehr vor den Mund nahm, weil er doch offensichtlich meine Serienmördergeschichte nicht ernst nahm. Er meinte, das liege daran, dass sie nicht ganz der Wahrheit entspreche, womit er ja auch recht hatte, aber inzwischen waren alle schon neugierig geworden. Und es wusste ja niemand, dass meine Beiträge zu Partygesprächen immer mit Horrorgeschichten enden. Statt also Victor zuzustimmen, dass ich mich ein wenig hinlegen sollte, wollten alle anderen die ganze Geschichte von mir hören. Die waren alle total knülle.
Mir wurde sofort klar, dass ich einen Fehler gemacht hatte, aber ich bildete mir ein, ich könnte die Situation noch retten, also holte ich tief Luft und sagte, ich hätte einen Dokumentarfilm über Serienmörder angesehen und wäre dabei eingeschlafen. Und der Film müsste mich wohl im Schlaf verfolgt haben, denn ich hätte diesen Traum gehabt, in dem mich der Nacht-Stalker mit einem langen Messer verfolgt hätte. UND DAMIT HAT DAS ARSCHLOCH MIR DANN DAS GESICHTZERSCHNITTEN. Und ich hätte wahnsinnige Schmerzen gehabt und geschrien und dann wäre ich aufgewacht und hätte gemerkt, dass alles nur ein Traum war.
An dieser Stelle lachen die Leute immer höflich. Zufälligerweise sollte ich an dieser Stelle auch aufhören, ich muss mir das fürs nächste Mal merken. Aber damals habe ich natürlich nicht aufgehört, weil meine innere Zensorin ja sieben Sekunden zurücklag und vor lauter Empörung darüber, dass ich eben »Arschloch« gesagt hatte, versäumte, mir rechtzeitig den Mund zu verbieten.
Ich beugte mich also verschwörerisch vor und sagte zu meinen erleichterten Zuhörern: »Aber dann hörte ich immer noch jemanden schreien und es stellt sich heraus, dass
ich
es bin, die da schreit, weil MIR TATSÄCHLICH JEMAND MIT DEM MESSER DAS GESICHT ZERSCHNITTEN HAT.«
An dieser Stelle hörten alle auf zu lachen und Victor sah auf einmal richtig krank aus. Und ich bekam Panik und sprach viel zu schnell, weil ich zum Ende kommen und dann wegrennen wollte.
»Und dann wacht Victor auf und sieht mein Gesicht voller Blut und sagt: ›Scheiße Mann, wer war das?!‹«, erzählte ich meinen faszinierten Zuhörern. »Und darauf ich: ›Ich weiß es, okay? Der Nacht-Stalker!‹, und Victor springt auf, zieht blitzschnell sein Schwert aus der Scheide und rennt den Flur entlang und hinter dem Nacht-Stalker her, was merkwürdig war, denn laut Dokumentarfilm saß der eigentlich noch im Gefängnis, aber wenn du aufwachst und jemand hat deine Frau überfallen, denkst du vermutlich nicht so streng logisch, und ich persönlich war wirklich beeindruckt, wie schnell er sein Schwert gezückt hatte und dem gefährlichen Serienmörder durch den Flur nachge…«
Victor fiel mir ins Wort. »Sei doch bitte still, um Gottes willen.«
Ich sah ihn verwundert an und wusste nicht, welcher Teil der Geschichte ihn so erschreckt hatte, und stellte dann rasch noch klar: »Ach so, als ich sagte, er hätte sein Schwert aus der Scheide gezogen, meinte ich damit
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