Das ist nicht wahr, oder?
anfing.
»HENRY, was fällt dir ein?«,
schrie meine Mom, aber mein Dad lachte nur über das Durcheinander, das er angerichtet hatte, und seine Augen funkelten auch jetzt noch, nach so vielen Jahren, vergnügt über den gelungenen Streich.
»Was ist denn?«, zog er meine Mom auf. »Ich habe doch eine Zeitung ausgelegt.«
Was auch stimmte. In der Mitte des Wohnzimmers lag ein kleines, leeres Rechteck aus Zeitung.
»Und du hast geglaubt, die Küken würden auf der Zeitung bleiben?«, fragte meine Mutter sarkastisch, während sie ein panisches Küken aus der klebrigen Faust eines Kleinkinds befreite.
»Nein, eigentlich nicht«, gab mein Dad zu, aber er freute sich wie ein Schneekönig, weil die Kinder lachten, und wir wussten alle, dass solche Dinge immer wieder passieren würden. Meine Mutter scheuchte ihn nach draußen, weil er mitseinen anfeuernden Rufen – »WER DAS GESPRENKELTE FÄNGT, BEKOMMT EINEN SILBERDOLLAR« – alles nur noch schlimmer machte.
Es würde mir leichter fallen, diese Schwarzbrennerei zu verurteilen, wenn meine Tochter nicht beim Aufbau mitgeholfen hätte.
Das Ganze kam einem Karneval schon gefährlich nahe und ich war froh, dass Victor zum Arbeiten zu Hause geblieben war, denn er hätte mich mit Vorwürfen überschüttet. Endlich hatten wir das letzte zappelnde Küken eingefangen. Wir stellten die Tiere in einem Eimer in das stille, dunkle Schlafzimmer, wo sie sich beruhigen konnten (und Daddy sie nicht gleich wieder auf das Haus loslassen konnte, sobald wir draußen waren), machten es uns wieder auf unserem alten Bett bequem und nahmen die Fotoalben zur Hand, als wäre nichts passiert. Es gibt schon zu denken, wenn so etwas zur Gewohnheit wird, aber so ist es nun mal und man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen, auch wenn einem wütende Küken dabei mit ihren Krallen die Hände zerkratzen, weil sie nicht kapieren, dass man ihnen nur helfen will.
Wenn wir meine Eltern besuchten, spielte Hailey immer mit der Hausdestille meines Vaters. Sie ritt im Garten auf Jasper, dem kleinen Esel, und spielte mit Cousin und Cousine auf den alten Traktoren und den noch älteren Kutschen, die auf dem Gelände hinter dem Haus herumstanden. Die Kinder zogen lachend durch die Präparatorenwerkstatt meines Vaters und setzten Kuhschädel als Masken auf. Sie suchten anhand von alten Karten, die mein Dad »gefunden« hatte, nach vergrabenen Schätzen und stießen auf mit Münzen, Modeschmuck und Pfeilspitzen gefüllte Kisten, die Daddy für sie vergraben hatte. Sie erforschten jeden Winkel des Grundstücks, jagten Ziegen und amüsierten sich königlich, und Lisa und ich mussten zugeben, dass ihre Freude die Entenküken wettmachte, die sich gelegentlich nachts in unser Schlafzimmer verirrten.
Am nächsten Tag kam Victor zu meinen Eltern, damit wir unseren Hochzeitstag feiern konnten, nur dass ich nichts mit dieser Unglückszahl feiere, weil ich immer noch zwangsneurotisch bin. Victor musste mir deshalb hoch und heilig versprechen, anderen gegenüber nur von unserem »zweiten zwölften Hochzeitstag« zu sprechen, was auch hervorragend geklappt hätte, wenn Victor meine Phobien ernst nehmen würde. Er hat offensichtlich einen Todeswunsch. Er wiederholte die Unglückszahl also bei jeder Gelegenheit, und ich schimpfte: »Genau deshalb wollte ich dieses Jahr überhaupt nicht feiern, denn wenn du diese Zahl weiter sagst, lasse ich mich scheiden, und genau so was passiert in einem Unglücksjahr, also hör endlich auf, das Schicksal herauszufordern.« Victor zog nur die Augenbrauen hoch und fragte unschuldig: »Was für eine Zahl? Meinst du …?« UND SCHON SAGTE ER SIE WIEDER. Da beschloss ich, dass ich ihm irgendwann in diesem Jahr eins seiner Eier abschneide, weil wir damit auf einen Schlag unser ganzes Pech los sind und dann bleiben wir trotzdem verheiratet, weil mit einem beabsichtigten Hoden-Entfernungs-Unfall unser ganzes Unglück aufgebraucht ist. Victor meinte zwar, es gebe keine »beabsichtigten Unfälle«, und verstand auch nicht gleich, wie ich von der Scheidung ohne Übergang zur Entfernung eines seiner Hoden komme, aber es ist unser zweiter zwölfter Hochzeitstag, er sollte an so was inzwischen wirklich gewöhnt sein.
Und
man braucht ja gar keine zwei Hoden. Lance Armstrong scheint mit einem auch ziemlich gut zurechtzukommen. 11 Und außerdem RETTE ICH DADURCH UNSERE EHE, DU ARSCH.
An unserem Hochzeitstag passte meine Mom auf Hailey auf, damit Victor und ich die SUMMER MUMMERS besuchen konnten, eine
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