Das ist nicht wahr, oder?
Mischung aus Melodrama und Varieté, die seit den vierziger Jahren jeden Sommer in Midland in Texas gespielt wird. Der Alkohol fließt in Strömen und man soll den Heldenanfeuern und den Bösewicht in seinem Umhang ausbuhen und Tüten mit Popcorn kaufen, das man dann auf die Bühne wirft, sobald der Böse mit dem finsteren Schnurrbart herauskommt. Leider habe ich einen schwachen Wurfarm, mein Popcorn landete deshalb auf den Zuschauern in der Reihe vor uns. Sie drehten sich um und Victor zeigte verstohlen auf die Leute neben uns, als wären die schuld, aber die merkten das und eine erbitterte Popcornschlacht brach aus. Victor stellte sich auf seinen Stuhl und brüllte: »ICH MACHE EUCH ALLE FERTIG!« Dann kaufte er für dreihundert Dollar Popcorn. Es war einer der Momente, in denen mir klar wurde, was für ein Glück ich hatte, einen zweiten zwölften Hochzeitstag mit einem Mann feiern zu können, der bereit war, von dem ganzen Geld, das eigentlich für ein schönes Hotelzimmer gedacht war, eimerweise Popcorn zu kaufen, nur um in einem Anfall napoleonischen Größenwahns wildfremde Menschen darunter zu begraben. Wir haben die so was von fertig gemacht!
Der Abend war perfekt, bis auf das eine Mal, als Victor sich noch mal mit Munition versorgen musste (wieder ein Eimer Popcorn) und ich von einem Typen angegriffen wurde, der genauso aussah wie Sam Elliott. Ich bekam so viel Popcorn auf mein Kleid, dass ich aussah, als hätte ich lauter schreckliche Tumore. Und wer kennt das, wenn einem so ein nervendes Stück Popcorn zwischen den Zähnen steckt, aber man kann es nicht herauspuhlen, weil das vor fremden Menschen peinlich wäre? Man stelle sich vor, dass so was passiert, aber das Popcorn hängt nicht zwischen den Zähnen fest, sondern im Gehörgang. Und mit »Gehörgang« meine ich »Vaginaltrakt«.
Dann kamen die Cancan-Girls heraus und die Zuschauer sangen bei »Deep in the Heart of Texas« und »TheYellow Rose of Texas« mit dem Live-Orchester mit. Dann zitierte ein Mann auf der Bühne Sam Houston, der gesagt hatte: »Texas braucht die Vereinigten Staaten nicht, ABER DIE VEREINIGTEN STAATEN BRAUCHEN TEXAS!« und das ganze Publikum brüllte wie bescheuert mit ihm mit und ich dachte: »Wow, es ist wirklich kein Wunder, dass die anderen Amerikaner uns nicht leiden können.«
Als das Stück/Melodrama/Varieté zu Ende war, entdeckte ich auf dem Boden kleine Blutflecken und bekam einen Schreck, weil Victor damit gedroht hatte, Steine in sein Popcorn zu mischen, um die ganze erste Reihe auszulöschen. Aber dann stellte sich heraus, dass der Teppich rot war und dass die Flecken die wenigen Stellen waren, an denen man den Teppich unter den Haufen von Popcorn noch sah.
Beim Rausgehen ging vor uns eine Frau, die seitlich versetzt in einer Ecke gesessen hatte. Sie hatte sich unter dem für diesen Abend angekündigten »Live-Theater« offenbar etwas anderes vorgestellt und schien über das rüpelhafte Benehmen der anderen Zuschauer gleichermaßen verängstigt wie empört. Während sie über die Popcorn-Dünen stieg, murmelte sie zu ihrem Begleiter: »Igitt … was für eine furchtbare Verschwendung von Lebensmitteln. Denk doch nur an die vielen hungernden Kinder in Afrika.« Sie hatte wohl nicht ganz unrecht, andererseits fand ich es auch nicht richtig, hungernden Menschen Popcorn zu geben, das schon in einer Vagina gesteckt hat. »Bitte sehr«, hörte ich die Frau in Gedanken herablassend zu den Eingeborenen sagen. »Esst noch etwas Vaginalpopcorn. Das hier hat nur eine Stunde lang auf dem Boden gelegen. Ihr habt es nötiger als wir.« Das hörte sich für mich unverschämt an und ich war mir ziemlich sicher, dass auch hungernde Menschen darüber die Nase gerümpft hätten. »Nein danke, wir kommenschon zurecht, wirklich. Bitte kein Vaginalpopcorn mehr.« Außerdem war das Popcorn alt und zäh, ich weiß das, weil ich welches gegessen habe und mir später sehr schlecht wurde. Victor meinte, dass wäre logisch. Ich hatte ja aus derselben Tüte gegessen, aus der ich auf andere geworfen hatte, und die anderen hatten zurückgeworfen und das Popcorn war auf meinem Schoß gelandet und ich hatte es wieder geworfen und die anderen hatten es wieder zurückgeworfen und dabei war ein Teil unweigerlich in der Tüte gelandet, aus der ich aß, und ich bin ziemlich sicher, dass ich davon die Schweingrippe bekommen habe.
Im Garten meiner Eltern. Die Zapfsäule funktioniert nicht, Kanone und Hühner schon.
Am folgenden Tag kehrten wir zu
Weitere Kostenlose Bücher