Das italienische Maedchen
Rosanna, das Baby kommt. Pressen«, sagte Dr. Hardy. Sie stöhnte ein letztes Mal auf, und kurz darauf hob er einen kleinen roten Körper mit dichtem schwarzem Haarschopf hoch. Das kleine Wesen stieß einen spitzen Schrei aus.
Rosanna stützte sich erschöpft, aber euphorisch auf den Ellbogen ab, um einen ersten Blick auf das Neugeborene zu werfen.
»Es ist ein Junge. Gratuliere«, erklärte Dr. Hardy lächelnd, durchtrennte die Nabelschnur und wickelte das Kind in ein weißes Tuch, bevor er es seiner Mutter reichte.
»Er ist so schön«, flüsterte sie, schob ihren Finger in die winzige Hand und spürte, wie ihr kleiner Sohn zudrückte. »Er sieht ganz wie sein Vater aus, nicht?«
Stephen betrachtete das kleine faltige Gesicht. »Ich denke schon.«
»Rosanna, wir müssen jetzt noch ein bisschen sauber machen«, sagte Dr. Hardy und wandte sich Stephen zu. »Holen Sie sich doch währenddessen einen Kaffee. Im Wartebereich, wo Sie sich ein wenig erholen können, steht ein Automat.«
»Gibt es in dem auch Zigarren?«, fragte Stephen grinsend. »Ich komme später wieder«, fügte er an Rosanna gewandt hinzu, als er das Zimmer verließ.
Eine halbe Stunde später fand Stephen Rosanna aufrecht im Bett sitzend vor, mit gebürsteten Haaren, in einem frischen Nachthemd, und das Baby schlief an ihrer Brust. Rosannas Augen leuchteten vor Glück. Stephen, der das Gefühl hatte, noch nie eine schönere Frau gesehen zu haben, setzte sich neben ihr Bett.
»Wie geht’s?«
»Bestens«, antwortete sie lächelnd. »Stephen, ich glaube, es ist Zeit, du zu sagen. Wie soll ich dir nur danken?«
»Keine Ursache. Das hätte jeder getan.«
»Ich weiß nicht, wie ich das jemals gutmachen soll. Möchtest du ihn mal halten?«
»Wenn ich darf.«
»Aber sicher. Du gehörst zu den ersten Menschen, die er gesehen hat. Möglicherweise hält er dich für seinen Vater.« Sie reichte ihm ihren Sohn vorsichtig.
Stephen nahm ihn auf den Arm. Als er ihn betrachtete, öffnete der Kleine die Augen und richtete sie unsicher auf ihn.
»Er wirkt sehr wach.«
»Ja.« Sie streichelte die Wange ihres Sohnes und legte dann ihre Hand auf die von Stephen. »Das war wirklich sehr nett von dir.«
Sie hoben erschrocken den Blick, als die Tür aufgerissen wurde und Roberto ins Zimmer stürmte.
»Roberto! Endlich bist du da. Wir haben einen Jungen, einen wunderschönen Jungen!« Rosanna streckte vor Freude weinend die Arme aus.
»Schatz.« Er lief zum Bett und drückte sie an sich. »Ich bin ja so stolz auf dich. Ich werde es mir nie verzeihen, dass ich nicht bei dir war.«
»Ist nicht so schlimm. Stephen war einfach wunderbar. Du musst dich bei ihm bedanken.«
Erst jetzt bemerkte Roberto den unbekannten Mann, der sein Kind hielt. »Natürlich, aber darf ich vielleicht zuerst meinen Sohn auf den Arm nehmen?«, fragte er unwirsch.
»Aber ja«, antwortete Stephen und reichte ihm den Kleinen verlegen.
Roberto drehte sich von Stephen weg.
»Er ist wunderschön«, murmelte er, »wie seine Mamma.« Roberto gab ihn ihr vorsichtig zurück und umarmte sie dann beide zärtlich. » Amore mio , ich bin so stolz auf dich. Ich liebe dich.«
»Und ich dich.«
Stephen, dem klar wurde, dass man ihn nicht länger brauchte, entfernte sich zur Tür. »Ich geh mal lieber …« Als er sah, dass sie ihn nicht mehr wahrnahmen, verließ er leise das Zimmer.
MET
NEW YORK
So also bist Du, Nico, auf die Welt gekommen. Manche denken, von da an sei es für mich und Roberto bergab gegangen; schließlich war ein anderer Mann bei Deiner Geburt dabei. Dein Vater verpasste sie aus Gründen, die ich erst später erfuhr. Vielleicht war es ein Omen.
Doch damals war ich die glücklichste Frau der Welt, weil ich mein wunderschönes Baby und meinen geliebten Mann bei mir hatte.
Kurz nach unserer Heimkehr brachte Dein Vater uns in das pittoreske Lower Slaughter in den Cotswolds. Vor dem Dorf bog er von der Straße in einen von hohen Limonenbäumen gesäumten Kiesweg ab. Hinter einer Kurve tauchte eines der schönsten Häuser auf, die ich je gesehen hatte. Roberto erklärte mir, dass es The Manor House heiße und im siebzehnten Jahrhundert erbaut worden sei. Sogar an jenem verregneten Novembernachmittag wirkte das Gebäude mit seiner honigfarbenen Steinfassade und den unterteilten Fenstern einladend. Auch die Zimmer mit den Sichtbalken, den nackten Steinwänden und den offenen Kaminen, die nach Holzkohle rochen, waren gemütlich. Als Roberto mich fragte, ob mir das Haus gefalle,
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