Das italienische Maedchen
betrachtete.
»Warum bist du unzufrieden, Roberto? Wir haben doch alles. Deine Karriere, Freunde, einander. Aber das scheint dir nicht zu genügen.«
Roberto schwieg.
Donatella nahm ihre Handtasche. »Ich muss los, zu einer Lunchverabredung mit Trish St. Regent. Ruf mich von Paris aus an, ja?«
»Ja.«
»Ich liebe dich. Ciao .«
Roberto spürte, wie sie seinen Nacken küsste, und hörte dann ihre Schritte, die sich Richtung Haustür entfernten.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, holte er tief Luft und sang ein markerschütterndes hohes C. In dieser einen Note lagen all die Angst und das Elend seines gegenwärtigen Lebens.
Er wandte sich vom Fenster ab und ging ins Wohnzimmer. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht würde Rosanna ihm, wenn er sie anrief und ihr sagte, dass er sie nach wie vor liebte, sich nach ihr sehnte, sie brauchte wie die Luft zum Atmen, vergeben, und dann würde die Verzweiflung, die er seit der Trennung spürte, endlich verschwinden.
Roberto nahm den Hörer in die Hand und wählte die ersten Nummern. Dann gewann wieder einmal sein Stolz die Oberhand, und er legte auf. Er sank mit einem gequälten Stöhnen in einen Sessel. Sein Herz klopfte wie wild, und ihm war schwindlig und übel, was in letzter Zeit ziemlich häufig passierte. Am Ende war er krank und brauchte einen Arzt …
Möglicherweise war es aber auch nur Verzweiflung.
Nach der Trennung vor einem Jahr hatte er selbstgerechten Zorn verspürt. Ja, er hatte einen Fehler gemacht, einen schlimmen Fehler, aber doch bestimmt keinen unverzeihlichen? Schließlich war er Roberto Rossini. Andere Ehefrauen von Opernstars ignorierten das Treiben ihrer Männer einfach, weil sie wussten, dass ihre Künstlernatur ein körperliches Ventil benötigte. War es seine Schuld, dass die Frauen ihm hinterherliefen? Rosanna würde ihren Fehler schon noch einsehen und ihn anrufen, ihn anflehen, zu ihr zurückzukehren, hatte er gedacht und in London darauf gewartet, dass sie sich meldete, was sie jedoch nicht tat.
Da hatte der Schmerz begonnen, jener tiefe Schmerz, der ihm keine Ruhe ließ. Sechs Monate zuvor war er schließlich nach New York gezogen, weil er sich einredete, dass Abstand die Lösung des Problems sei. Donatella lebte dort; das war bequem, und sie war willig und erstaunlich liebevoll. In ihren Armen vergaß er manchmal ein paar Sekunden lang seinen Kummer. Doch meist malte er sich beim Sex mit ihr aus, mit Rosanna zu schlafen.
Dann war da noch Nico, sein Sohn, der bestimmt schon lief und die ersten Worte sagte, ohne dass sein Papà es miterlebte.
Nimm den Telefonhörer in die Hand, Roberto, tu’s .
Wieder wählte er die Nummer von Manor House mit zitternden Fingern. In wenigen Sekunden würde er ihre Stimme hören, und seine Qualen wären vorbei.
Es klingelte. Und klingelte. Wenn sie draußen im Garten war, würde sie eine Weile brauchen hineinzugehen. Roberto ließ es noch ein paarmal läuten, bevor er den Hörer auf die Gabel knallte.
Gleich darauf klingelte sein Telefon. Er ging sofort ran.
»Roberto? Chris hier. Ich wollte fragen, ob du fertig bist. Bin in dreißig Minuten da.«
Roberto legte auf und stützte den Kopf in die Hände.
»Ich glaube, ich höre das Telefon klingeln«, sagte Rosanna, als sie Nico aus Stephens Wagen hob. »Könntest du bitte ein Auge auf ihn haben, während ich hineinlaufe?«
Rosanna schloss die Haustür auf und eilte ins Wohnzimmer. Als sie den Apparat erreichte, hörte das Klingeln auf.
»Erwartest du einen Anruf?«, fragte Stephen, der den Raum wenig später mit Nico an der Hand betrat.
»Nicht wirklich. Wenn’s wichtig war, wird der Anrufer sich schon wieder melden.«
»Ja, das glaube ich auch.« Stephen war damit beschäftigt, den vor Vergnügen quiekenden Nico um das Beistelltischchen zu jagen.
Rosanna ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich weiß nicht, wo du die Energie hernimmst. Ich bin völlig fertig!« Sie beobachtete die beiden lächelnd. »Bleibst du noch zum Tee oder Kaffee?«
»Sonst immer gern, aber heute muss ich leider zurück, vor meinem Termin mit dem Steuerberater am Mittwoch jede Menge Papierkram erledigen.« Stephen hob ihren Sohn hoch und gab ihn ihr. Nico auf dem Arm, begleitete Rosanna Stephen zur Tür und zum Wagen.
»Danke für einen schönen Tag«, sagte sie, als er einstieg.
»Hat es dir wirklich gefallen?«
»Ja.«
»Gut. Dann können wir das ja mal wiederholen.«
»Gern. Es tut uns beiden gut rauszukommen. Mach winke, winke für
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