Das italienische Maedchen
stöhnte Abi. »Solche Sachen sagen die Leute in meinen Romanen tatsächlich.«
»Bitte mach dich nicht über mich lustig. Das war ernst gemeint.«
»Wie kannst du jemanden lieben, der dich so mies behandelt hat wie Roberto?«, bohrte Abi weiter.
»Liebe hat nichts mit Logik zu tun, Abi.«
»Mag sein. Angenommen, Roberto würde morgen vor deiner Tür stehen: Würdest du ihn hereinlassen?«
»Keine Ahnung. Manchmal denke ich Ja, wenn das bedeuten würde, dass der Schmerz verschwindet, dann wieder Nein, ich könnte ihn nie zurücknehmen. Aber der Fisch ist fertig. Wollen wir essen?«
Abi beschloss, nicht weiter in Rosanna zu dringen.
»Ja, gern.«
In den folgenden Tagen spielte sich eine einfache Routine ein. Beim Frühstück unterhielten sie sich etwa zwanzig Minuten lang, und anschließend verschwand Abi mit einem großen Tablett, auf dem sich ein Krug mit Mineralwasser sowie einige Schokoladenriegel befanden, den Rest des Tages nach oben, während Rosanna und Nico ihren üblichen Verrichtungen nachgingen. Um sechs Uhr tauchte Abi dann mit zerzausten Haaren und geröteten Augen wieder auf und mixte sich einen starken Gin Tonic. Anschließend las sie Nico vor, während Rosanna das Abendessen zubereitete, und sobald er schlief, setzten sich die beiden zum Essen in die Küche oder auf die Terrasse.
»Allmählich beginne ich zu begreifen, warum du dieses Einsiedlerleben führst«, sagte Abi eines Abends nach dem Essen. »Es ist so ruhig, ein Tag verläuft wie der andere. Das gibt einem ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Ich muss aufpassen, dass mein Ruf als Partymaus hier nicht allzu sehr leidet. Zum ersten Mal im Leben genügt es mir, zu Hause bleiben zu können.«
»Du arbeitest hart, Abi. Bestimmt bist du müde.«
»Ja. Seit heute Morgen um neun habe ich eine Geburt, eine Scheidung und einen Mord hinter mir«, meinte sie lachend.
»Geht’s gut voran mit dem Buch?«
»Sogar sehr gut. Noch drei Wochen, dann bin ich fertig. In London wäre das unmöglich. Das Telefon klingelt, ständig schauen Leute vorbei, und am allerschlimmsten: Überall gibt’s diese unglaublich verführerischen Läden, Lokale und Feste. Könnte sein, dass ich mich in Zukunft zum Schreiben immer in dein Haus zurückziehen muss.«
»Du weißt, dass du jederzeit willkommen bist. Und wenn Luca da ist, werden wir uns bemühen, dich nicht zu stören«, versprach Rosanna.
»Keine Sorge. Ich bin so weit oben, dass ich nur die Vögel höre, die in den Dachbalken nisten. Wann kommt er denn am Sonntag?«
»Sein Flugzeug landet um elf. Er wird nach dem Mittagessen da sein. Ich habe ihm angeboten, das Taxi zu bezahlen, aber er will lieber mit dem Zug fahren.«
»So ein Quatsch. Warum hast du nichts gesagt? Ich hole ihn ab. Du und Nico, ihr könnt leider nicht mitkommen, weil ich nur einen Zweisitzer habe.«
»Abi, das ist wirklich nicht nötig.«
»Sei nicht albern. Ich mache das, Punkt.«
Als das Telefon klingelte, stand Rosanna auf. »Bin gleich wieder da.« Sie eilte in die Küche und nahm den Hörer ab.
»Hallo?«
»Ich bin’s, Stephen. Wie geht’s?«
»Gut. Und selber?«
»Alles bestens. Ich wollte nur fragen, ob du mit Abi nächste Woche zur Vernissage kommst.«
»Wenn ich keinen Babysitter finde, wird das nicht gehen, Stephen.«
»Bitte versuch’s. Es würde mir sehr viel bedeuten.«
»Na schön, ich bemühe mich.«
»Sag mir Bescheid. Tut mir leid, wenn ich jetzt Schluss machen muss, aber ich hab noch eine Menge zu tun. Tschüs, bis dann.«
Rosanna kochte Kaffee und trug die Kanne und zwei Tassen auf die Terrasse.
»Wer war das?«
»Stephen. Er wollte wissen, ob wir nächsten Mittwoch zu seiner Vernissage kommen.«
»Ich finde, du solltest auf jeden Fall hingehen«, sagte Abi und nahm einen Schluck Kaffee.
»Ich müsste einen Babysitter auftreiben, aber ich hasse es, Nico in der Obhut Fremder zu lassen. Außerdem wird Luca da sein.«
»Das Problem ist schnell gelöst. Du gehst, und ich bleibe bei Nico und Luca. Es würde dir guttun, ein bisschen rauszukommen, und Stephen hat dir so viel geholfen, Rosanna. Du solltest dich revanchieren.«
»Du hast recht. Möchtest du denn nicht dabei sein?«
»Nicht unbedingt. Ich komme so gut voran mit dem Schreiben und will den Schwung ausnutzen. Wir müssen eines deiner schönen Kleider entmotten. Schätze, nicht mal du würdest zu einer Vernissage Shorts und T-Shirt tragen. Und jetzt halt den Mund und trink deinen Kaffee. Du gehst hin, aus, fertig.«
Abi wartete in der
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