Das italienische Maedchen
mit wild pochendem Herzen die Tür.
»Du hast gesagt, ich soll es dich wissen lassen, wenn ich meinen Sohn sehen möchte. Das möchte ich jetzt. Ich liebe dich, meine principessa .«
Roberto breitete unsicher die Arme aus.
Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie sich von ihm umarmen ließ.
MET
NEW YORK
So also tauchte Dein Vater wieder in unserem Leben auf, Nico. In Heathrow hatte man ihm mitgeteilt, dass sein Flug nach New York aufgrund des Nebels gestrichen worden sei. Später behauptete er, da habe er gewusst, dass das Schicksal es so gewollt habe.
Unsere Wiedervereinigung nach achtzehn Monaten war leidenschaftlich und emotional. In jener Nacht gab es keine Vorwürfe mehr, nur noch Erleichterung darüber, endlich wieder zusammen zu sein.
Als ich mich am folgenden Morgen im Spiegel betrachtete, wusste ich, dass ich es nicht schaffen würde, Roberto noch einmal vor die Tür zu setzen. Meine Augen leuchteten wieder. Zum ersten Mal seit einem Jahr wirkte ich wirklich glücklich. Egal, was passiert war: Roberto war mein Mann und Dein Vater. Wir gehörten zusammen, und nur das zählte.
Nico, wenn ich Dir nun schildere, was anschließend geschah, bitte ich Dich, meine Gefühle für Deinen Vater zu verstehen. Die Liebe, die ich für ihn empfand, überstrahlte alles. Ihn wiederzuhaben weckte eine solche Freude in mir, dass ich den Schmerz nicht sah, den wir anderen bereiteten. Ich war egoistisch und verletzte Menschen durch Handlungen, die ich sonst nie auch nur in Betracht gezogen hätte.
Heute ist mir klar, dass man jemanden aus ganzem Herzen lieben kann, der nicht gut für einen ist. Roberto brachte nicht gerade meine besten Seiten zum Vorschein. Wenn ich mit ihm zusammen war, verlor ich die Kontrolle. Seine bloße Gegenwart wirkte wie eine Droge auf mich. Inzwischen sehe ich klar und deutlich, dass er mich zum Schlechten hin veränderte.
Ich hatte Roberto zurück und vergaß mich selbst dabei.
Vermutlich fällt es Dir schwer, diese Zeilen zu lesen. Ich frage mich, ob ich mit dieser Beichte einfach nur versuche, mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Doch mein Herz sagt mir, dass Du die Kraft besitzt, sie zu verstehen. Ich kann Dir versichern, dass ich mich immer bemüht habe, Dich zu beschützen und Dich in Liebe und Sicherheit aufzuziehen. Aber als Du mich dann wirklich gebraucht hättest, war ich nicht da. Und das werde ich mir nie verzeihen …
44
Gloucestershire, Dezember 1982
Als Rosanna am folgenden Morgen aufwachte, wagte sie es kaum, den Blick zu wenden, weil sie Angst hatte, dass sie geträumt hatte.
Doch er lag tatsächlich neben ihr. Der Albtraum hatte ein Ende, das Leben konnte wieder beginnen.
Mit leuchtenden Augen dachte sie an die Nacht mit ihm zurück, in der sie kaum zum Schlafen gekommen war. Trotzdem fühlte sie sich kein bisschen müde. Im Gegenteil: Sie schien vor Energie zu sprühen.
Sie kuschelte sich enger an ihn, um seine Arme um ihren Leib zu spüren, bestätigt zu wissen, dass er tatsächlich da war und sie liebte, und legte zärtlich eine Hand auf seinen Arm. Keine Reaktion. Armer Roberto, dachte sie, er muss wirklich erschöpft sein.
Rosanna stand leise auf und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Anders als sonst hörte sie keine Geräusche aus Nicos Zimmer. Sie tappte zu ihm hinüber. Das Bettchen war leer. Anscheinend hatte Ella ihn bereits zum Frühstücken mit nach unten genommen.
Ella … Der musste sie Robertos Anwesenheit irgendwie erklären.
Nico ließ sich in seinem Hochstuhl mit Honigtoast füttern.
»Guten Morgen, Ella«, begrüßte Rosanna ihre Nichte. »Wie lange ist Nico denn schon wach? Tut mir leid, dass ich ihn nicht gehört habe. Hallo, Schatz.« Sie gab Nico einen Kuss und drückte ihn. Er wischte mit seinen klebrigen Fingern über ihr Gesicht.
»Ungefähr eine halbe Stunde. Ich wusste, dass du müde bist, also hab ich ihn aus dem Bett genommen.«
»Danke, du bist ein Engel.« Rosanna setzte sich an den Tisch.
»Kaffee? Ich hab gerade welchen gemacht.« Ella ging zu der Maschine, die auf der Arbeitsfläche stand.
»Gern. Ella, ich muss dir etwas sagen.«
»Ja?«
»Nimm Platz, dann erkläre ich es dir.«
Ella setzte sich mit zwei Tassen Kaffee an den Tisch und sah Rosanna mit erwartungsvollem Blick an.
»Du weißt, dass mein Mann Roberto und ich uns scheiden lassen wollten?«
»Ja. Deswegen bist du gestern in euer altes Haus nach London gefahren, um deine Sachen zu holen.«
»Genau. Dort bin ich ihm zufällig begegnet, als ich gerade gehen
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