Das italienische Maedchen
wollte. Wir haben uns ausgesprochen, und heute spät in der Nacht ist er hierhergekommen.«
»Aha. Wo ist er?«
»Er schläft oben.«
Ella nickte stumm, bevor sie fragte: »Und jetzt willst du dich nicht mehr von ihm scheiden lassen?«
»Nein … Ich glaube nicht. Die nächsten paar Tage bleibt er jedenfalls hier. Wir müssen über vieles reden. Und er möchte seinen Sohn sehen.«
»Das kann ich verstehen. Was ist mit Stephen?«
»Das weiß ich nicht so genau. Roberto ist mein Mann und Nicos Vaters. Falls eine Chance besteht, dass wieder eine Familie aus uns wird, sollten wir die doch nutzen, meinst du nicht?«
Wieder nickte Ella. »Ja, aber ich mag Stephen. Es wird ihn verletzen.«
»Ja …« Rosanna schüttelte den Kopf. »Offen gestanden will ich darüber jetzt nicht nachdenken. Ich bringe Roberto einen Kaffee. Und morgen fahren wir zum Dank dafür, dass du gestern auf Nico aufgepasst hast, nach Cheltenham und kaufen dir ein neues Kleid für dein Konzert«, bot sie ihr als kleine Geste der Versöhnung an.
»Danke, aber ich muss meine Schuluniform tragen wie die andern.« Ella klang förmlich und distanziert.
»Dann eben zu Weihnachten.«
»Danke«, wiederholte Ella.
Rosanna hob Nico aus seinem Stuhl. »Komm, wir gehen rauf zu Papà.«
Zwanzig Minuten später kam Rosanna aus dem Bad. An der Tür zum Schlafzimmer blieb sie stehen, um Vater und Sohn zu beobachten, die im Bett aneinandergekuschelt in Nicos Lieblingsbuch mit Pooh dem Bären blätterten. Das hatte sie sich so oft gewünscht, dass ihre Augen feucht wurden.
»Du solltest mit nach unten kommen und meine Nichte Ella kennenlernen«, sagte sie, als sie den Raum betrat.
»Ja.« Roberto sah sie über Nicos Kopf hinweg an. »Er ist so hübsch, Rosanna, und ein richtig schlaues Kerlchen. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es mit ihm ist.«
»Dann vergiss es nie wieder, ja?«, flüsterte sie.
Roberto schüttelte den Kopf. »Nein, niemals.«
»Papà?«
Roberto zwinkerte ihr zu. »Siehst du? Er kennt mich noch.« Er beugte den Kopf ein wenig vor. »Ja, Nico?«
Nico deutete auf das Buch in Robertos Hand. »Noch mal lesen, danke, bitte.«
Eine Stunde später betrat Roberto, gefolgt von Rosanna, die Nico auf dem Arm trug, die Küche.
»Du bist also Ella«, begrüßte Roberto sie.
»Ja. Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte sie steif.
»Behandelt deine Tante dich gut?«, erkundigte er sich.
» Sì , ich meine, ja, danke, Signore.«
»Sag doch Roberto und du zu mir. Schließlich bin ich dein Onkel.« Roberto wandte sich Rosanna zu. »Heute gehen wir alle in dieses wunderbare Lokal in Chipping Campden, in dem wir früher immer waren.«
»Roberto, da muss man Wochen im Voraus buchen«, entgegnete Rosanna.
» Cara , du scheinst vergessen zu haben, dass es für Roberto Rossini, seine Frau und seine Familie immer ein Plätzchen gibt. Ich rufe gleich dort an.« Roberto reservierte telefonisch und setzte sich. Rosanna kochte unterdessen frischen Kaffee und machte Toast.
»Wem gehören die?«, fragte Roberto und deutete auf ein Paar großer Gummistiefel an der Küchentür.
Rosanna wurde rot. »Meinem Freund Stephen.«
Roberto stand auf, marschierte zur Tür, nahm die Stiefel in die Hand, machte die Mülltonne auf und ließ sie hineinfallen. »Wir haben einen Tisch für eins. Bringst du bitte den Kaffee und den Toast ins Arbeitszimmer, Rosanna? Ich muss Chris anrufen und ihm sagen, wo ich bin.«
»Natürlich, Roberto.«
Als Ella das hörte, wurde ihr klar, dass das Leben in Manor House sich ändern würde.
Während des Mittagessens unterhielt Roberto, der zu Bestform auflief, die drei – und die anderen Gäste im Lokal – mit Anekdoten aus der Opernwelt.
»Sie ist ein merkwürdiges Mädchen, deine Ella«, stellte Roberto fest, als er am Abend mit Rosanna auf dem Teppich vor dem Kamin lag.
»Nein, sie ist sehr lieb, aber ein bisschen schüchtern, besonders dir gegenüber«, verteidigte Rosanna Ella.
»Bin ich denn so furchteinflößend?«, fragte er grinsend.
»Du kannst manchmal ein bisschen … dominant sein.«
»Das tut mir leid.«
»Bitte geh behutsam mit ihr um. Obwohl sie sich inzwischen mit Carlottas Krankheit abgefunden hat, erwartet sie wie ich jeden Tag das Schlimmste. Bitte vergiss das nicht.«
»Nein, nein. Das muss hart sein für euch beide.«
»Ja.« Rosanna blickte ins Feuer. »Roberto … Wirst du bleiben?«
Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Selbstverständlich, principessa . Mein Platz ist an der Seite meiner
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