Das italienische Maedchen
Frau und meines Kindes, es sei denn, du willst dich immer noch von mir scheiden lassen.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Gut. Dann informiere ich meinen Anwalt.«
»Wir werden vieles besprechen und organisieren müssen. Ich meine …«
Roberto legte einen Finger auf ihre Lippen. »Still, Rosanna, verdirb diesen Augenblick nicht mit Gedanken an die Zukunft. Du hast immer schon zu viel gegrübelt. Ich muss erst nach Neujahr wieder auftreten. Genießen wir doch einfach Weihnachten miteinander und reden dann.«
»Wirst du es Donatella sagen?«
»Wirst du es deinem ›Freund‹ sagen?«, konterte Roberto.
»Das werde ich wohl müssen, denn er hatte vor, Weihnachten mit uns zu verbringen.«
»Dann wird er enttäuscht sein, aber das lässt sich nicht ändern«, erklärte er nonchalant, doch das Mahlen seiner Kiefermuskeln verriet seine Anspannung. »Ich bin dein Ehemann, der einzige Mann, der dich wirklich liebt und versteht.« Als seine Lippen die ihren berührten und seine Hand ihre Brust streichelte, wusste Rosanna, dass sie an diesem Abend nicht mehr weiterreden würden.
Am folgenden Dienstagnachmittag fuhren Roberto, Rosanna und Nico zu dem Weihnachtskonzert in Ellas Schule, wo sich aller Augen auf Roberto richteten. Als sie im hinteren Teil des Saals Platz nahmen, lächelte er huldvoll.
»Mrs Rossini.« Die Direktorin kam aufgeregt zu ihnen. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr Mann Sie begleiten würde. Sie können selbstverständlich in der ersten Reihe sitzen.«
»Danke fürs Angebot, aber von hier aus sehen wir sehr gut. Ich möchte die Vortragenden nicht nervös machen«, flüsterte Roberto.
»Sie bleiben doch hinterher noch auf einen Kaffee?«
»Ja.« Rosanna nickte, und die Direktorin eilte davon, um die örtliche Zeitung zu informieren, damit diese einen Fotografen schickte, der die Sensation in ihrer Schule dokumentieren sollte.
Das Konzert begann. Nico schlief auf Rosannas Schoß, Roberto beneidete ihn.
Dann hörte er die Stimme, eine tiefe, facettenreiche Stimme, und hob interessiert den Blick. Auf der Bühne stand Ella, die Schultern unsicher nach vorn gezogen. Fast schien sich der schmale Körper gegen diese kraftvolle Stimme zu wehren. Ella erinnerte Roberto an Rosanna damals: dünne Arme und Beine und riesige dunkle Augen. Eines Tages würde sie wie ihre Tante eine richtige Schönheit werden.
»All is calm, all is bright«, sang sie. Roberto sah Rosanna an, die ihre Nichte erstaunt beobachtete, und nickte anerkennend, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Ella richtete. Diese Stimme war außergewöhnlich, daran bestand kein Zweifel. Sie unterschied sich deutlich von der Rosannas, sie war ein Mezzosopran, vielleicht sogar ein Alt.
Als Ella geendet hatte, wandte Rosanna sich mit Tränen in den Augen Roberto zu. »Wenn nur Carlotta das hätte hören können.«
Nach dem Konzert taten Roberto und Rosanna ihre Pflicht und plauderten beim Kaffee mit anderen Eltern und Lehrern.
»Ellas Stimme muss gefördert werden.« Während des Gesprächs mit der Direktorin ruhte Robertos Hand besitzergreifend auf der Schulter seiner Nichte.
»Bei der Verwandtschaft ist das kein Wunder, oder?«, meinte die Direktorin lächelnd.
»Leider habe ich damit nichts zu tun. Ich bin nur ein angeheirateter Verwandter von Ella«, informierte Roberto sie.
»Natürlich ist uns ihre Begabung sofort aufgefallen«, erklärte die Direktorin, deren Gesicht von Sekunde zu Sekunde röter wurde. »Anfangs war sie sehr schüchtern, aber wir haben uns sehr bemüht, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken.«
»Das ist Ihnen ausgezeichnet gelungen, findest du nicht, cara ?« Roberto wandte sich Rosanna zu.
»Ja.« Rosanna versuchte gerade, Nico daran zu hindern, dass er der Direktorin die Schokoladenkekse entwand, die sie in der Hand hielt.
»Hast du vor, Sängerin zu werden, Ella?«, fragte Roberto Ella.
»O ja.« Ella lächelte verlegen über dieses ungewohnte Lob.
»Dann müssen wir den besten Lehrer Englands für dich finden. Mit den Gesangsstunden kann man gar nicht früh genug beginnen, stimmt’s, Rosanna?«
»Ja«, pflichtete sie ihm bei.
»Wir könnten Privatstunden für sie organisieren, Mr Rossini, und … Ach, würde es Ihnen etwas ausmachen, sich mit mir ablichten zu lassen? Es ist nur für die örtliche Zeitung«, bat die Direktorin.
Roberto legte den Arm um die Schultern der Frau und lächelte, als der Blitz der Kamera aufleuchtete, während Nico sich auf Rosannas Arm wand. »Wir müssen jetzt nach
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