Das italienische Maedchen
ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und wischte sich die Nase ab. »Was für eine Erleichterung nach diesen zwei Tagen.«
»Das kann ich verstehen, Mrs Rossini. Ein solcher Krankheitsverlauf ist sehr selten, kann aber vorkommen. Nico war nicht geimpft?«
»Nein.« Daran hatte sie in den traumhaften Monaten in Manor House nach Nicos Geburt nicht gedacht.
»Die anderen Mitglieder des Haushalts, die noch nicht geimpft sind, sollten das jetzt nachholen. Masern können noch ein paar Tage, nachdem der Ausschlag auftritt, ansteckend sein, also gehen Sie lieber auf Nummer sicher. Man wird sich in den nächsten Wochen sehr um Nico kümmern müssen, doch er ist ein zäher kleiner Bursche und wird früher wieder auf den Beinen sein, als Sie glauben. Wir behalten ihn noch einen Tag zur Beobachtung hier, dann können Sie ihn mitnehmen. Fahren Sie jetzt nach Hause, ruhen Sie sich aus und kommen Sie nachmittags wieder. Am Vormittag wollen wir einige Routineuntersuchungen durchführen.«
»Gut. Ich verabschiede mich kurz von ihm. Danke für alles.«
»Keine Ursache. Dafür sind wir ja da. Und machen Sie sich keine Vorwürfe, Mrs Rossini. Sie hätten, auch wenn Sie hier gewesen wären, nicht viel mehr für ihn tun können.«
Rosanna schüttelte den Kopf. »Ich bin seine Mutter. Ich hätte früher gemerkt, wie schlecht es ihm ging«, erwiderte sie mit leiser Stimme und verließ das Sprechzimmer, um Nico aufzusuchen.
Nico lag mit dem Rücken zu ihr.
»Hallo, Schatz«, sagte sie. »Mamma ist da.«
Er reagierte nicht. Rosanna, die glaubte, er schlafe, beugte sich über sein Bettchen und stellte fest, dass er hellwach war. Als er sie bemerkte, wandte er sich ihr zu und begrüßte sie mit einem breiten Lächeln.
Rosanna nahm ihn auf den Arm und drückte ihn an sich. »Mein Liebling, ich schwöre dir, ich lasse dich nie mehr allein.«
Eine Stunde später schloss Rosanna zu Hause müde die Tür auf.
»Ella«, rief sie, ohne eine Antwort zu erhalten.
»Sie hat sich hingelegt.« Luca stand am oberen Ende der Treppe.
»Klar. Sie muss erschöpft sein.« Rosanna wischte sich mit der Hand über die Stirn.
»Nach der Aufregung der letzten Tage nicht verwunderlich«, sagte er und kam die Treppe herunter. »Wie geht’s Nico?«
»Der Arzt sagt, er erholt sich wieder.«
»Freut mich zu hören.« Lucas Stimme klang ungewohnt kühl. »Möchtest du was essen, Rosanna?«
»Nein, danke. Ich mache mir nur einen Kaffee. Dann dusche ich und versuche, ein bisschen zu schlafen. Ich muss am Nachmittag wieder ins Krankenhaus.«
Luca folgte ihr in die Küche und beobachtete von der Tür aus, wie sie den Wasserkocher füllte und einschaltete.
»Rosanna, ich reise heute ab.«
»Gut. Danke, Luca, für deine Hilfe.«
»Aber zuvor möchte ich mit dir reden.«
Er war blass, hatte dunkle Ringe unter den Augen, und sein Mund wirkte verkniffen.
»Dann setz dich. Willst du auch einen Kaffee?«
»Danke.«
Rosanna gab Instantkaffee in zwei Tassen, füllte sie mit kochendem Wasser und Milch auf, rührte um und setzte sich zu ihrem Bruder an den Tisch. »Was ist los? Ich hab dich selten so ernst gesehen.«
Luca legte die Hände unters Kinn und holte tief Luft. »Rosanna, mir liegt sehr, sehr viel an dir, das weißt du, oder?«
»Ja, natürlich.«
»Und ich würde mich nicht in dein Leben oder deine Entscheidungen einmischen, wenn ich mich nicht für Ella verantwortlich fühlte. Ich habe Carlotta versprochen, auf sie aufzupassen.«
»Es war falsch von mir, Ella mit Nico allein zu lassen, sehr falsch. Das wird nie wieder passieren.«
»Du bist Nico eine gute Mutter und hast Ella bei dir aufgenommen, aber …«, Luca schüttelte den Kopf, »… ich habe Angst, dass diese … Besessenheit von Roberto dein Urteilsvermögen beeinträchtigt.«
»Nein!«, rief sie entrüstet aus. »Roberto ist das Beste, was ich im Leben habe, natürlich abgesehen von Nico. Er liebt und unterstützt mich und …«
»Warum ist er dann jetzt nicht hier? Wenn sein Kind im Krankenhaus liegt und seine Frau ihn braucht?«
»Das weißt du genau, Luca! Roberto hat Verpflichtungen. Er kann nicht einfach alles liegen und stehen lassen und herkommen. So ist sein Leben nun mal.«
»Er hatte am Sonntag- und Montagabend keinen Auftritt. Das hast du mir selbst erzählt, Rosanna. Er hätte leicht mit dir von Wien herfliegen und rechtzeitig am Dienstagabend wieder dort sein können. Vielleicht hatte er ja Angst, sich anzustecken …«
»Hör auf, Luca! Das ist ungerecht. Es wäre gerade
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