Das italienische Maedchen
anders sehen. Ich bin nicht besser als Roberto, weil ich Rosanna ebenfalls hintergehe. Wieder einmal kommt Roberto ungeschoren davon. Ich habe mich wie alle andern von ihm benutzen lassen und für ihn gelogen.«
»Es war nur eine kleine, nötige Lüge. Einen Teil der Geschichte finde ich richtig lustig: Mehrere Millionen Dollar für eine Zeichnung, die, egal, wie hübsch sie sein mag, praktisch wertlos ist? Ist Stephen sich völlig sicher?«
»Er ist Renaissance-Experte und hat die Zeichnung gründlich unter die Lupe genommen«, antwortete Luca. »Stephen hat mir erklärt, warum er verstehen kann, dass Donatellas Mann sie für einen echten Leonardo gehalten hat. Es bestehen große Ähnlichkeiten, und die Zeichnung würde bei einer Auktion ein paar Tausend Dollar erbringen, weil sie so alt und in tadellosem Zustand ist.«
»Was hat Stephen dem jetzigen Besitzer gesagt, als der wissen wollte, ob sie echt ist?«
»Er hat beschlossen, Mr St. Regent nicht seine eigentliche Einschätzung mitzuteilen, und behauptet, er sei auf dieser hohen Ebene nicht qualifiziert genug, um ein eindeutiges Urteil abzugeben. Man müsste eine zweite Meinung von weltweit führenden Leonardo-Experten einholen. Was Mr St. Regent natürlich nie tun wird, weil die Zeichnung illegal aus Italien kommt. Sie macht ihm so große Freude – warum sollte man ihm die verderben? Und …«, fügte Luca hinzu, »je weniger Donatella über die tatsächliche Herkunft weiß, desto besser.«
»Aber das viele Geld, Luca. Das ist dem armen Mr St. Regent gegenüber doch nicht fair.«
»Für ihn sind ein paar Millionen Dollar so viel wie für uns ein paar Pfund, Abi, glaub mir.«
»Na schön. Dann hör auf, so streng mit dir ins Gericht zu gehen, Luca. Mehr hättest du nicht tun können. Du solltest deswegen kein schlechtes Gewissen haben.«
»Roberto übt einen schlechten Einfluss auf Rosanna aus. Wie sie Ella mit Nico allein gelassen hat … Das war nicht meine Schwester. Wenn sie mit ihm zusammen ist, wird sie zu einem anderen Menschen. Und nun hasst sie mich, weil ich ihr das gesagt habe.«
»Es ist ihr Leben, Luca, das muss sie allein auf die Reihe kriegen.«
»Ich weiß. Aber Abi, ich bin heute nicht nur hier, um dir von dem Treffen mit Donatella zu erzählen, sondern auch, weil ich noch etwas anderes mit dir besprechen möchte.«
»Tatsächlich? Was?«
»Ich hatte gehofft, dass die vergangenen sechs Monate mir Zeit geben würden, über meine Zukunft zu entscheiden. Doch am Ende bin ich fast nicht dazu gekommen, über mich selbst nachzudenken. Zuerst Carlotta, dann das mit Rosanna und Nico und nun noch die Geschichte mit Roberto und Donatella.« Luca schüttelte den Kopf. »Ich bin verwirrt, über mich selbst und meinen Gott. Und natürlich über dich.« Er sah sie mit einem zärtlichen Lächeln an. »Bei meinen gegenwärtigen Zweifeln wäre es falsch, ins Priesterseminar zurückzukehren, aber ich kann mich auch nicht eindeutig für dich entscheiden, bevor ich mir nicht hundert Prozent sicher bin, dass ich mich von allem, was ich wollte und woran ich geglaubt habe, seit ich damals die Chiesa della Beata Vergine Maria in Mailand betreten habe, verabschieden kann.« Luca sammelte sich kurz. »Ich habe mit meinem Bischof gesprochen. Er hat mir einen Vorschlag gemacht, der mir möglicherweise hilft. Ich gehe nach Afrika. In einem Dorf außerhalb von Lusaka in Sambia wird gerade eine Kirche gebaut, und ich soll dem Geistlichen als Laienbruder assistieren. Vielleicht gelingt es mir dort, weit weg von allem, endlich, meinem Leben einen Sinn abzugewinnen.«
»Verstehe.« Abi klang enttäuscht.
»Ich könnte deine Verärgerung verstehen. Mir ist klar, dass ich nie etwas getan habe, um mich deiner Liebe würdig zu erweisen. Abi, bitte warte nicht länger auf mich. Ich kann dir im Moment nichts versprechen, weil ich selbst die Antworten noch nicht kenne.«
Abi nahm mit zitternden Händen einen Schluck Brandy und leckte sich die Lippen.
»Luca, liebst du mich noch?«
»Natürlich, amore mio . Darauf habe ich keinen Einfluss. Du weißt, dass ich dich vergöttere.«
»Aber deinen Gott liebst du noch mehr. Ich könnte versuchen, dich zum Bleiben zu überreden und dir klarzumachen, dass du mich brauchst. Aber ich weiß aus bitterer Erfahrung, dass das keinen Sinn hat, also versuche ich es erst gar nicht.«
»Hasst du mich? Habe ich dich benutzt? Abi, der Gedanke, dir wehzutun, ist schrecklich.«
»Nein, ich hasse dich nicht, Luca. Wie könnte ich? Ich
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