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Das italienische Maedchen

Das italienische Maedchen

Titel: Das italienische Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Sie erkundigte sich nur selten nach meinem neuen Leben in Mailand, und weil ich sie nicht deprimieren wollte, stellte ich meinerseits nicht viele Fragen über das ihre. Ich sah, dass sie unglücklich und unzufrieden war – dass ihr Dasein mit Papà und Ella sich nicht so gestaltete, wie sie es sich in der Jugend erträumt hatte. Vielleicht wollte ich auch nicht meine eigene positive Einstellung zur Zukunft durch ihr Elend beeinflussen lassen. Letztlich waren Luca und ich beide froh, wenn wir nach dem Sommer wieder nach Mailand zurückkehren konnten, wo wir uns nun zu Hause fühlten.
    Mit einundzwanzig Jahren schloss ich die scuola di musica mit der Goldmedaille für meinen Jahrgang ab, der höchsten Auszeichnung, die die Schule zu vergeben hatte. Meine Stimme war mein Lebensinhalt, und während andere junge Frauen meines Alters sich stets aufs Neue verliebten, spielte die Liebe in meinem Alltag keine Rolle. Wer weiß, wie sich alles entwickelt hätte, wenn es anders gewesen wäre? Ich war sehr naiv und gänzlich unvorbereitet auf das, was mir widerfahren sollte und wovon ich Dir nun erzählen werde …

14
    Mailand, Juni 1976
    »Danke, dass Sie gekommen sind.« Paolo begrüßte Rosanna, die sein Büro betrat, mit einem freundlichen Lächeln. »Setzen Sie sich doch.«
    Rosanna nahm Platz.
    »Es überrascht Sie sicher nicht, dass ich Sie bitten möchte, Ensemblemitglied bei uns zu werden.«
    »Das freut mich sehr. Danke, Paolo.« Rosanna strahlte.
    »Da Sie dieses Jahr die Goldmedaille errungen haben, ist Ihnen bestimmt klar, dass wir von der Scala große Dinge von Ihnen erwarten. Ich weiß nur nicht so recht, wie ich Sie einsetzen soll. Ihre Stimme verdient mehr als einen Platz im Chor, aber …«, Paolo schob Papiere auf seinem Schreibtisch herum, »… ich will Sie nicht überfordern. Sie sind noch nicht mal einundzwanzig und haben möglicherweise eine Karriere von vierzig Jahren vor sich. Sie brauchen Reife und Erfahrung in den Rollen, für die Ihre Stimme Sie prädestiniert. Verstehen Sie, was ich meine, Rosanna?«
    »Ich denke schon.«
    »Mir ist klar, dass andere Häuser an Sie herangetreten sind und Ihnen Rollen angeboten haben.«
    Rosanna, die sich fragte, woher Paolo das wusste, wurde rot. »Ja. Covent Garden und die Met in New York haben ihr Interesse bekundet.«
    »Natürlich liegt die Entscheidung bei Ihnen. Aber wenn Sie bei uns bleiben, versprechen Riccardo und ich Ihnen, Sie behutsam aufzubauen. Unser Vorschlag sieht folgendermaßen aus: Wir nehmen Sie für die kommende Saison als Solistin unter Vertrag. Mir schweben da ein paar kleinere Rollen vor. Sie würden nicht mehr als zwei- oder dreimal die Woche auftreten. Das gäbe Ihnen Gelegenheit, die Gesangsstunden fortzusetzen, ohne Sie und Ihre Stimme zu stark zu strapazieren. Riccardo hat sich bereit erklärt, in dieser Phase einmal die Woche mit Ihnen zu arbeiten, ein Repertoire aufzubauen und zu festigen«, erklärte Paolo. »Außerdem sollten Sie sich als Cover einige Hauptrollen dieser Saison in Ihrer Stimmlage aneignen. Das gibt Ihnen Gelegenheit, diese Rollen zu proben und ein Gefühl für die Bühne zu entwickeln. Allerdings werden Sie kaum zum Zug kommen, denn wie Sie wissen, werden im Krankheitsfall die erfahreneren Solisten eingesetzt. Doch die Erfahrung würde Ihnen zugutekommen, sobald Sie selbst zur führenden Solistin aufgestiegen sind. Wie finden Sie meinen Vorschlag?«
    Rosanna war ein wenig enttäuscht. Die Met hatte ihr kurz zuvor das Angebot gemacht, in der folgenden Saison in Roméo et Juliette als Julia zu debütieren, und von Covent Garden war ein ähnlich attraktiver Vorschlag eingetroffen. Doch Rosanna wusste, dass das, was Paolo sagte, Sinn ergab. Schließlich förderte dieser Mann sie seit ihrem siebzehnten Lebensjahr.
    »Klingt gut, Paolo«, antwortete sie und zwang sich zu einem dankbaren Lächeln.
    Paolo erriet ihre Gedanken. »Rosanna, bitte glauben Sie mir: Wir wollen Sie nicht zurückhalten. Ich habe schon zu viele aufstrebende junge Sopranistinnen erlebt, die ins Rampenlicht geschoben wurden, bevor sie wirklich dazu bereit waren. Sie waren alle vor dem dreißigsten Lebensjahr ausgebrannt. Ihre Stimme ist etwas Kostbares, und Riccardo und ich wollen Sie nicht verheizen. Mein Plan mag nicht so attraktiv klingen wie einige der anderen Angebote, die Sie erhalten haben, aber Sie müssen Erfahrung sammeln und Gelegenheit haben, Fehler zu machen, die noch nicht von den Kritikern wahrgenommen werden.«
    Rosanna nickte. »Das

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