Das italienische Maedchen
verstehe ich, Paolo.«
»In einem Jahr, hoffe ich, werden Sie Ihr Debüt an der Scala geben. Ich spiele mit dem Gedanken, die nächste Saison mit La Bohème zu eröffnen. Sie würden die Mimì singen, und wir könnten versuchen, Roberto Rossini als Rodolfo zu gewinnen.«
Rosannas Augen begannen zu leuchten. »Die Mimì in La Bohème ist immer schon mein Traum gewesen.«
»Gut. Dann wäre also abgesehen vom Finanziellen alles geregelt. Wir können Ihnen nicht so viel bieten wie die New Yorker Met, aber Sie werden in der Zukunft nicht unter Geldmangel leiden, das können Sie mir glauben. Ich denke, vierhunderttausend Lire pro Saison müssten für Ihren Lebensunterhalt reichen, dazu kommen Überstunden und Extrazahlungen für Auftritte. Klingt das akzeptabel?«
»Ja, das ist mehr als großzügig, danke.«
»Und zögern Sie bitte nicht, zu mir zu kommen und mit mir zu reden, falls Sie irgendwann einmal unzufrieden sein sollten. Vergessen Sie nicht, dass wir das für Sie und für uns selbst tun. Nehmen Sie unser Angebot an?«
Paolo ahnte nicht, dass er ihr soeben die perfekte Motivation geliefert hatte. Rosanna malte sich bereits aus, mit Roberto Rossini in La Bohème zu singen. »Ja. Danke, Paolo, für alles.«
»Das freut mich sehr. Und jetzt sollten Sie mit Freunden trinken und feiern gehen.«
»Ja, das tu ich! Darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Natürlich.«
»Bekommt Abi Holmes ebenfalls einen Platz im Ensemble? Ich verrate ihr auch nichts.«
»Sie sind eng befreundet, stimmt’s?«
»Ja.«
»Sie ist mit von der Partie, was bedeutet, dass Sie noch nicht getrennt werden.«
»Das freut mich sehr für sie und mich!« Rosanna klatschte begeistert in die Hände. »Danke, Paolo.«
Als Rosanna sein Büro verlassen hatte, stieß Paolo einen Seufzer der Erleichterung aus. Er war sich nicht sicher gewesen, ob sie sich auf seinen Vorschlag einlassen würde. Und wenn er seinem Schützling eine Freude machen konnte, indem er Abi Holmes ins Ensemble aufnahm, würde er für sie schon einen Platz ganz hinten im Chor finden. Rosanna würde in den folgenden Jahren jede nur erdenkliche Unterstützung gebrauchen können. Im Moment ahnte sie noch nichts von den Rivalitäten und Eifersüchteleien der Sänger hinter der Bühne. Wenn Rosanna Erfolg haben wollte, würde sie sich ein dickes Fell zulegen und noch viel lernen müssen. Der Eintritt ins Ensemble würde ihr die Augen öffnen.
»Auf uns!«, sagte Abi.
»Auf euch beide«, stimmte Luca ein.
Sie stießen schon zum x-ten Mal an. Auf dem Tischchen in Rosannas und Lucas Wohnung lagen die Reste ihrer improvisierten Feier.
»Ich kann es kaum fassen, dass Paolo mich ins Ensemble aufnehmen wird!«, rief Abi aus. »Ich bin beinah in Ohnmacht gefallen, als er mich zu sich gerufen hat, um es mir zu sagen. Ich wollte gerade meine Siebensachen packen und zu meinen Eltern im guten alten England fahren.«
»Dann freust du dich also doch? Ich dachte, es ist dir egal, ob du Opernsängerin wirst oder nicht«, bemerkte Rosanna.
Abi wandte sich Luca zu. »Deine Schwester ist manchmal wirklich ein bisschen naiv. Natürlich wollte ich ein festes Engagement, aber ich habe mich innerlich vor einer Absage geschützt und mir eingeredet, dass es mir egal ist. Das ist die Art der Briten: die wahren Gefühle nicht zeigen, immer Contenance wahren und so weiter. Anders als ihr Italiener, die ihr das Herz auf der Zunge tragt. Jedenfalls die meisten von euch …« Abi zwinkerte Luca zu.
»Was wollen Sie damit sagen, junge Dame?«, fragte Luca, der sich ausnahmsweise auf das fröhliche Geplänkel einließ.
»Mein Bruder ist ein schwarzes Wasser«, erklärte Rosanna in ihrem besten Englisch.
»›Stilles Wasser‹«, korrigierte Abi sie. »Ja, das stimmt wohl, Luca, oder?«
Luca zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst.«
»Ja.« Sie leerte ihr Weinglas. »Schade, dass die Flasche leer ist. Heute hätte ich Lust auf mehr gehabt.«
»Wir haben schon zwei geköpft. Vergiss nicht, was Paolo über den schädlichen Einfluss von Alkohol auf die Stimme gesagt hat«, erinnerte Rosanna sie.
»Ich weiß, ich weiß«, seufzte Abi. »Vermutlich muss ich als Ensemblemitglied solche Dinge tatsächlich ernst nehmen. Oje.«
Rosanna unterdrückte ein Gähnen.
»So, so, die Solosängerin ist müde«, neckte Abi sie. »Geh du ins Bett. Wir räumen hier schon auf, nicht wahr, Luca?«
»Wenn’s euch nichts ausmacht. Ich bin tatsächlich müde.« Rosanna runzelte die Stirn. »Hoffentlich bekomme ich keine
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