Das italienische Maedchen
verließ.
»Ich möchte hören, wer sie ersetzt. Schließlich muss ich heute Abend mit ihr singen«, erklärte Roberto und blieb sitzen.
»Wie Sie meinen. Ich würde vorschlagen, dass Cecilia Dutton für Anna einspringt«, sagte Riccardo.
»Die hat heute Abend ein Konzert in Paris«, erinnerte Paolo ihn.
»Dann eben Ivana Cassall oder Maria Forenzi.«
»Die Forenzi wäre eine Möglichkeit, aber …«
»Nein, die passt nicht. Sie ist viel zu alt und textunsicher. Ich weigere mich, mit ihr aufzutreten«, mischte Roberto sich ein.
Paolo und Riccardo schlugen mehrere Sängerinnen vor, und gegen alle legte Roberto sein Veto ein. Allmählich gingen ihnen die Ideen aus. Schließlich meldete Roberto sich wieder zu Wort.
»Meine Herren, ich wüsste da eine Lösung.«
»Tatsächlich?«, fragten sie unisono.
»Ja. Sie liegt auf der Hand. Rosanna Menici muss heute Abend die Butterfly singen. Dafür ist das Cover doch da, oder? Sie probt seit Wochen mit mir und kennt die Rolle in- und auswendig. Außerdem kann ich ihr helfen.«
»Kommt gar nicht infrage.« Paolo hob abwehrend die Hand. »Wir haben sie nicht so lange sorgsam aufgebaut, um sie jetzt in eine solche Rolle zu drängen, bevor sie dafür bereit ist. Die Butterfly ist eine Partie für eine Sängerin mit Erfahrung. Es könnte ein Desaster werden.«
»Die Butterfly ist als vierzehnjähriges Mädchen gedacht«, erinnerte Roberto ihn. »Die Rolle eignet sich meiner Ansicht nach für ihr Debüt viel besser als die Mimì in La Bohème . Denken Sie nur an die Presse, die sie bekommen würde.«
»Die Kritiker«, stöhnte Paolo. »Riccardo, was hältst du von dem Vorschlag?«
Riccardo holte tief Luft. »Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig. Es ist zu spät, um jemanden einzufliegen. Wir müssen entweder Rosanna Menici nehmen oder die Vorstellung ausfallen lassen. Mein Instinkt sagt mir, dass sie uns nicht enttäuschen wird. Vielleicht ist es Schicksal.« Er zuckte mit den Achseln.
»Ist das eine Verschwörung?« Paolos Blick huschte zwischen den beiden Männern hin und her, bevor er sich nachdenklich das Kinn rieb. »Ich versuche herauszufinden, ob Cecilia schon nach Paris unterwegs ist. Wenn ja, bitte ich Rosanna, sich für heute Abend bereit zu machen.«
»Wunderbar! Sie werden es nicht bereuen.« Roberto sprang auf. »Sagen Sie Rosanna, dass ich gern heute Nachmittag alle Stellen mit ihr übe, bei denen sie noch unsicher ist.« Er nickte und verließ das Büro.
Paolo sah Riccardo an. »Hat er recht?«
»Ich glaube schon.«
Paolo klopfte mit seinem Bleistift auf den Schreibtisch. »Ist Robertos Interesse an Rosanna rein beruflicher Natur?«
»Scheint so. Bei der Arbeit mit ihr ist er ganz Gentleman.«
»Wie immer, bevor er zuschlägt«, murmelte Paolo.
»Keine Sorge. Rosanna scheint sich nichts aus ihm zu machen«, erklärte Riccardo.
»Hoffentlich bleibt es auch so. Denn wenn Roberto Rossini sich an sie ranmacht, bekommt er’s mit mir zu tun.«
»Paolo, ich weiß, wie sehr dir Rosanna am Herzen liegt, aber es geht dich wirklich nichts an, was die Sänger privat treiben.«
»Das weiß ich, Riccardo.« Paolo wirkte angespannt. »Ich muss jetzt ein paar Anrufe erledigen.«
Als das Telefon klingelte, ging Abi ran.
»Hallo.«
»Abigail. Ich bin’s, Paolo. Ist Rosanna da?«
»Ja, sie steht unter der Dusche. Kann ich was ausrichten?«
»Nein. Holen Sie sie mal lieber.«
»Gut.«
Wenige Sekunden später nahm Rosanna, nass vom Duschen, den Hörer in die Hand. »Was gibt’s, Paolo?«
Abi sah, wie Rosanna blass wurde.
»Dann also um zwei in der Oper. Ciao .« Rosanna legte auf und sank in einen Sessel.
»Was ist denn los? Ist jemand gestorben?«, fragte Abi.
»Nein.«
»Was dann? Du bist ganz weiß im Gesicht.«
Rosanna holte tief Luft. »Ich soll heute Abend die Butterfly singen.«
Rosanna ließ sich von der Maskenbildnerin in die junge Japanerin Cio-Cio-San verwandeln. Eher benommen als aufgeregt betrachtete sie den großen Strauß roter Rosen auf dem Tisch vor sich.
Rosanna,
ich bin bei Dir,
Roberto
PS : Ich habe die Claqueure für Dich bezahlt.
Rosanna konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Während der Probe am Nachmittag war Roberto einfach wunderbar gewesen, ruhig, besorgt und eifrig darauf bedacht, ihr zu helfen. Wenn sie nicht gewusst hätte, wie er sich Abi gegenüber verhalten hatte, wäre sie vielleicht ihren Gefühlen erlegen. Doch egal, was an jenem Abend auf der Bühne passieren würde: Sie schwor sich, nicht auf
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