Das italienische Maedchen
»Du musst ihn kennenlernen. Er heißt Henry. Ich habe ihn vor zwei Wochen auf einem Fest kennengelernt. Er ist ganz vernarrt in mich, und ich würde mir wünschen, dass ich mich richtig in ihn verlieben könnte, weil er so gut zu mir passt.«
»Hab Geduld, Abi. Du kennst ihn doch erst zwei Wochen.«
»Rosanna, gerade du müsstest wissen, wie das ist mit der Liebe, wenn einem die Intuition sagt, dass es etwas Besonderes ist. Und bei Henry sagt sie das eben leider nicht.«
»Stimmt. Ich habe mich noch nie so mies gefühlt wie in den letzten zwei Wochen. Roberto und ich waren kaum jemals getrennt und nie einen ganzen Monat.«
»Ein Monat Leid ist doch ein geringer Preis für das, was ihr habt. Du bist mit dem Mann verheiratet, den du liebst, trägst sein Kind unter dem Herzen, und dazu hast du Geld und eine steile Karriere. Ich hätte nichts dagegen, in deinen Schuhen zu stecken.« Abi grinste. »Wo bleibt die Suppe?«
Nach dem Essen tranken sie Kaffee.
»Was hast du nächsten Samstagabend vor?«, fragte Abi Rosanna.
»Nichts, absolut nichts.«
»Dann geh doch mit Henry und mir essen. Henry hat einen Freund, der vor Neid erblasst ist, als ich erzählt habe, dass ich dich heute treffe. Stephen ist ein großer Fan von dir und würde sich wahnsinnig freuen, dich kennenzulernen. Komm mit und lass dich eine oder zwei Stunden lang bauchpinseln.«
»Danke fürs Angebot, aber im Moment steht mir der Sinn nicht nach so was.«
»Nun zier dich nicht so. Beweis, dass du dir nicht zu fein bist, mit uns gewöhnlichen Sterblichen essen zu gehen.«
Rosanna wurde rot. »Das hat damit nichts zu tun. Ich habe nur im Moment keine große Lust auf Gesellschaft.«
»Gerade deshalb könnte dir ein Abend außer Haus guttun. Außerdem schuldest du mir noch was, weil du mich allein in Mailand zurückgelassen hast.«
»Na schön«, meinte Rosanna.
»Gut. Dann hole ich dich am Samstagabend so gegen acht ab.« Abi sah auf ihre Uhr und stand auf. »Ich muss jetzt los. Bleib sitzen; ich finde allein hinaus.« Sie küsste Rosanna auf beide Wangen. »Auf Wiedersehen, Schätzchen. Pass auf dich auf. War schön, dich wiederzusehen.«
»Gleichfalls, Abi.«
»Melde dich, wenn du was brauchst«, sagte Abi, als sie zur Tür ging. »Meine Nummer hast du ja.«
Rosanna stellte fest, dass sie ein wenig Angst vor dem Samstagabend hatte, weil sie in den vergangenen Jahren nur mit Roberto unterwegs gewesen war. Sie verbrachte den größten Teil des Nachmittags damit, hektisch die Kleidungsstücke anzuprobieren, die ihr trotz ihres dicken Bauchs noch passten, sich die Haare zu waschen und sich zu schminken. Als Abi klingelte, war sie fertig.
»Sehr hübsch«, lobte Abi sie.
»Danke.«
»Lass uns fahren. In einer Viertelstunde treffen wir uns mit den Jungs.«
»Wir gehen doch wo hin, wo’s unauffällig ist, oder? Selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich anhöre wie eine Diva: Ich möchte nicht, dass Roberto in der Zeitung ein Foto von mir mit einem anderen Mann sieht«, erklärte Rosanna verlegen.
»Selbstredend. Dir zuliebe besuchen wir ein italienisches Lokal.« Abi öffnete die Tür ihres Renault 5. »Es ist nicht gerade schick, aber die Pasta schmeckt köstlich. Steig ein.«
Abi lenkte den Wagen durch den dichten Verkehr auf der Earl’s Court Road und bog links in die Fulham Road ein. »Was für ein Glück«, sagte sie, als sie einen Parkplatz direkt vor dem kleinen Restaurant fand.
Drinnen saßen die Gäste an schlichten Holztischen, aßen Pasta und tranken Wein aus Karaffen.
»Es erinnert mich an das Café von Papà«, bemerkte Rosanna wehmütig, als Abi zwei Männern an einem Tisch in einer Ecke zuwinkte. Einer der beiden war korpulent, hatte schütteres Haar und trug eine Hornbrille. Vermutlich war das ihr Fan Stephen, dachte Rosanna. Der andere sah ziemlich gut aus, hatte dunkle Haare und lebhafte blaue Augen.
»Henry, Schatz.« Abi küsste den Mann mit den schütteren Haaren auf die Wange und wandte sich dann dem anderen zu. »Na, Stephen, hab ich zu viel versprochen?« Sie nickte Rosanna zu. »Er hat nicht geglaubt, dass du tatsächlich mitkommst. Rosanna, darf ich dir deinen größten Fan vorstellen?«
»Stephen Peatôt. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mrs Rossini.« Er lächelte verlegen, als sie einander die Hand gaben.
»Dann macht mal Platz für den Babyelefanten«, sagte Abi und zog den Stuhl neben Stephen ganz heraus.
Errötend zwängte Rosanna sich zwischen Tisch und Stuhl.
Stephen schenkte Abi Rotwein und
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