Das italienische Maedchen
Roberto ihr Leben bestimmte.
Was, wenn er sie eines Tages verließ? Rosanna schluckte, und ihr Puls beschleunigte sich. Nein, ermahnte sie sich: So konnte und durfte sie nicht denken. Stress war schlecht für das Kind.
Rosanna legte eine Kassette ein, auf der sie zusammen »Dolce notte! Quante stelle!« aus Madama Butterfly sangen.
Der Klang ihrer Stimmen zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen.
In drei Wochen wäre er wieder bei ihr, und sie konnte diesen Albtraum vergessen. Eines stand fest: Sie würde nie mehr allein zu Hause bleiben.
Roberto ließ müde und ein wenig beschwipst den Blick über die Menge wandern, die sich plaudernd und Champagner trinkend auf der Bühne der Met versammelt hatte. Er fühlte sich einsam und verloren. Nach zwei Wochen allein wurden ihm seine tiefen Gefühle für seine Frau immer bewusster.
Die Premiere der neuen Oper Dante war ein riesiger Erfolg gewesen. New York lag ihm zu Füßen, er befand sich auf dem Zenit seines Erfolgs. Und litt wie ein Hund.
Ohne Rosanna bedeutete alles nichts.
Roberto warf gähnend einen Blick auf seine Uhr. In fünf Minuten würde er gehen, weil er versprochen hatte, sich bei Rosanna zu melden.
»Finden Sie nicht auch, Mr Rossini?«
»Verzeihung, Signora, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders.«
Die reiche New Yorker Matrone wiederholte ihre Theorie über die Kunstförderung.
»Natürlich bin ich ganz Ihrer Meinung. Der Staat muss mehr Geld für die Oper zur Verfügung stellen, wenn diese den Sprung ins nächste Jahrhundert schaffen soll. Aber wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss nach Hause, meine Frau anrufen.«
Er nickte Chris Hughes zu. »Ich geh. Wir sehen uns morgen früh.«
Seine Limousine wartete am Bühneneingang auf ihn.
»Nach Hause, Sir?«
»Ja, bitte.«
Der Wagen brachte ihn zu Chris’ Apartment an der Upper West Side von Manhattan, wo der Chauffeur ihm die Autotür öffnete und Roberto unter die Markise des schicken Wohnhauses trat.
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Sir.«
Roberto fuhr mit dem Lift in den 28. Stock. An der Wohnungstür hörte er drinnen das Telefon klingeln. Er rannte hinein und nahm den Hörer von der Gabel.
»Hallo?«
»Ich bin’s. Ich bin gerade aufgewacht und habe mir gedacht, ich rufe dich an. Na, wie war’s?«
»Eine Sensation, principessa . Nur du hast gefehlt.«
»Und Francesca Romanos?«
»Dem Publikum hat sie gefallen.«
Kurzes Schweigen, dann: »Oh.«
»Würdest du lieber hören, dass sie grässlich war?«, fragte Roberto belustigt.
»Klar.«
»Francesca ist nicht du und wird auch nie so wie du sein. Du bist die beste Sopranistin der Welt, und das weißt du auch.«
»Ja, ja, ich bin kindisch, aber mal dir mal aus, wie es ist, sich eine andere Sängerin neben dir vorzustellen, während ich wie ein dicker fetter Kloß hier herumliege.«
»Mein kleiner Kloß, für mich bist du das hübscheste Geschöpf auf Gottes Erde.«
»Vermisst du mich noch?«, fragte sie.
»Natürlich, Rosanna. Ich habe sogar die Party verlassen, um mit dir telefonieren zu können.«
»Wer war da?«
»Ach, die üblichen Verdächtigen. Alle schicken dir liebe Grüße und wünschen dir viel Glück.«
»Das ist nett, danke. Haben irgendwelche schönen Frauen versucht, dich mir auszuspannen?«
»Ein paar …« Roberto hörte, wie Rosanna nach Luft schnappte. »War ein Scherz, cara . Kein Grund zur Sorge.«
»Entschuldige. Du hast keine Ahnung, wie einsam ich mich ohne dich fühle. Ich schlafe mit deinem Pullover neben mir.« Sie seufzte.
»Nicht mehr lange. Bald bin ich wieder zurück.«
»Wenigstens kommt Abi mich morgen besuchen. Vielleicht gehen wir zum Mittagessen, also mach dir keine Gedanken, falls ich nicht da sein sollte, wenn du anrufst.«
»Okay. Aber bitte glaub ihr kein Wort von dem, was sie über mich erzählt. Du weißt, was zwischen uns war«, erklärte Roberto mit einem unbehaglichen Gefühl.
»Das ist Schnee von gestern. In Mailand war sie meine beste Freundin, und es ist höchste Zeit, dass wir uns wiedersehen. Rufst du mich morgen an, sobald du wach bist?«
»Selbstverständlich.«
»Dann lasse ich dich jetzt lieber schlafen. Du bist sicher müde.«
»Ja, stimmt. Versuch, auch ein wenig zu schlafen. Das ist gut für dich und das Baby.«
»Ich gebe mir Mühe, aber es wird mir nicht gelingen. Ti amo , Roberto.«
»Ich liebe dich auch.«
»Schlaf gut.«
Roberto legte auf und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Der Adrenalinstoß bei Auftritten regte
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