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Das Jagdgewehr

Das Jagdgewehr

Titel: Das Jagdgewehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasushi Inoue
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entwickelten wir uns, wie Sie jetzt sehen, zu einer prachtvoll kalten Familie. So kalt, daß jeder von uns glaubt, die Augenwimpern seien ihm steif gefroren. Oh, das Wort Familie ist viel zu warm, viel zu menschlich, als daß wir es für uns in Anspruch nehmen dürften. Ich finde die Bezeichnung Festung sehr viel besser, und ich möchte vermuten, daß Sie einverstanden sind. Jeder von uns hat sich länger als zehn Jahre in seine Festung eingeschlossen, Sie betrogen mich und ich betrog Sie (aber Sie haben damit angefangen!). Was für schmerzliche ›Geschäfte‹ der Mensch doch fertigbringt! Unser tägliches Leben war auf Geheimnissen aufgebaut, die wir voreinander hatten. Ihre Miene war zwar manchmal verächtlich, verstimmt oder gelangweilt, aber Sie taten nach außen immer, als bemerkten Sie es kaum, wenn ich mich unerträglich benahm. Oft schrie ich etwa mit lauter Stimme aus dem Bad zu unserer alten Dienerin, sie sollte mir Zigaretten hereinreichen. Kam ich von irgendeiner Verabredung nach Hause, so nahm ich ein Kino-Programm aus der Handtasche und fächelte mir zu, oder ich machte mich im Empfangszimmer oder auf dem Korridor mit meinem französischen Puder zurecht, oder tat ein paar Walzerschritte, kaum hatte ich das Telefon aufgelegt. Ich lud die jungen Tänzerinnen der Takarazuka-Truppe zu einem Fest ein und ließ mich in ihrer Mitte photographieren. Ich spielte Mahjong im wattierten Kimono. An meinem Geburtstag trug ich sogar dem Dienstmädchen auf, sich Bänder durch das Haar zu stecken, und lud Studenten zu lärmenden Parties ein. Natürlich wußte ich genau, wie ärgerlich Sie die Augenbrauen runzelten. Aber Sie schalten mich nie, Sie wagten es nicht! Kein einziges strenges Wort kam je über Ihre Lippen. So haben wir also nie miteinander gestritten. Die Stille unserer Festungen wurde nie unterbrochen. Nur die Luft in ihnen war rauh und wunderlich kalt. Wenn Sie fähig waren, einen Fasan oder eine Wildtaube zu erlegen, warum brachten Sie es nicht fertig, mich durchs Herz zu schießen? Wenn Sie mich schon betrogen, warum taten Sie das nicht noch grausamer und gründlicher? Eine Frau kann sich selbst durch die Lügen eines Mannes in eine Göttin verwandeln!
    Ein solches, über zehn Jahre währendes Leben konnte ich wohl nur deshalb ertragen, weil ich heimlich irgendwo in meinem Herzen die zwar vage, aber ständige Erwartung hegte, daß die Ehe mit Ihnen eines Tages zu Ende sei, irgendwann einmal etwas Entscheidendes geschähe. Meiner Überzeugung nach gab es da nur zwei Möglichkeiten: entweder ich warf mich mit geschlossenen Augen an Ihre Brust, oder ich stieß Ihnen das kleine Messer, das Sie mir zur Erinnerung an Ihre Ägyptenreise geschenkt haben, so tief in Ihr Herz, daß das Blut in hohem Bogen hervorschoß!
    Auf welche dieser beiden Möglichkeiten ich gehofft habe? Ich weiß es selber nicht.
    Nun, es war vor etwa fünf Jahren, da geschah folgendes. Ob Sie sich noch erinnern? Es war, ganz sicher, nach Ihrer Rückkehr aus Südasien. Ich war zwei Tage lang von zu Hause fortgewesen, am dritten kam ich etwas angetrunken und auf recht schwanken Füßen heim. Ich hatte geglaubt, Sie seien, um etwas zu erledigen, nach Tokyo gefahren, aber Sie waren aus irgendeinem Grunde schon wieder zurück. Sie standen im Wohnzimmer und hantierten mit einer Flinte. »Guten Tag!« sagte ich flüchtig, dann trat ich auf die Veranda und setzte mich, mit dem Rücken zu Ihnen, auf das Sofa und kühlte mich in der Brise. Da die Markise für den Gartentisch an der Dachrinne lehnte, konnte man in der Glasschiebetüre wie in einem Spiegel einen Teil des Wohnzimmers sehen. Ich erkannte, daß Sie den Lauf Ihrer Flinte mit einem weißen Tuch blankrieben. Ich selber befand mich in einer schlaffen, matten, andererseits, wie es nach anstrengenden Vergnügungen ja leicht geschieht, auch etwas gereizten Stimmung, war unfähig, mich zu irgend etwas aufzuraffen oder auch nur einen Finger zu rühren, und so starrte ich gedankenlos auf Ihre Bewegungen im Spiegel. Nachdem Sie den Lauf gereinigt hatten, setzten Sie den ebenfalls geputzten Verschluß ein. Hierauf hoben und senkten Sie den Flintenlauf einige Male, lehnten das Gewehr dabei gegen Ihre Schulter, aber plötzlich merkte ich, daß es sich nicht mehr bewegte, es lag nun fest in Ihrer Schulter und Sie zielten, wobei Sie das eine Auge leicht geschlossen hatten. Mit einem Mal erkannte ich, daß der Lauf auf meinen Rücken gerichtet war!
    Ob Sie mich, so fragte ich mich, wohl gern erschießen

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