Das Jahr auf dem Lande
Ein Augenblick gelinder Verwirrung trat ein, als Sheikh auf James’ zitternde Knie zu klettern versuchte.
»Platz, Sheikh!« rief Jo. »Oh, das ist ja mein Freund, der am Gartentor gestrandet war! Hallo, Mr. Holden! Tut mir leid, aber ich habe ganz vergessen, daß Sie heute kommen wollten. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wem die schöne Arche Noah vor der Tür gehört. Oh, bitte, entschuldigen Sie mein Aussehen«, fügte sie hinzu, als sie den frostigen Blick der alten Dame bemerkte.
Aber wenn Jo in fröhlicher Stimmung war, so wie jetzt, dann war sie meist unwiderstehlich, und so eroberte sie die Herzen der Gäste im Sturm, auch das der alten Dame, die steif und aufrecht in einem viktorianischen Stuhl saß. Sogar Elizabeth taute etwas auf. »Hallo! Vater hat mir erzählt, daß Sie ihm in einer üblen Lage geholfen haben.«
»Gern geschehen, ich bin so froh, daß ich endlich ein junges Mädchen kennenlerne. Bisher habe ich hier nur mittelalterliche oder verheiratete Frauen getroffen.«
Sie unterhielten sich angeregt, und nach einer Weile bat Christine: »Würdet ihr beiden Mädchen den Tee machen? In der Küche steht alles bereit.« Sie wollte Jo und Beth Gelegenheit geben, allein miteinander zu sprechen und sich näher kennenzulernen.
Als sie hinausgingen, strich Beth über Sheikhs Kopf. »Das ist wenigstens ein richtiger Hund. Als ich die Schule verließ, wollte Vater mir einen Pekinesen schenken, aber das habe ich natürlich abgelehnt. Vater hat mir gesagt, daß Sie Tim Connors Pferd gekauft haben. Früher bin ich oft auf Rajah geritten, aber dann bildete Vater sich ein, daß Tim finstere Absichten mit mir hätte, und warf ihn hinaus. Und so mußte ich mich von Rajah trennen.«
»Aber Sie haben doch sicher ein Pferd?«
»Natürlich — ein teures Vollblutpferd. Aber ich hätte viel lieber Rajah gehabt. Aber ich darf ja nie das haben, was ich mir wünsche...«
»Sie spielen wohl auf Craig an? Ich kenne die Geschichte. Ganz Eldado kennt sie, und jeder wünscht Ihnen Glück. Was hat Ihre Familie gegen Craig? Er ist doch der einzige nette Junggeselle hier in der Gegend.«
»Nicht der einzige. Lester ist auch noch da. Er kommt nächste Woche nach Hause, aber er wird nicht lange bleiben. Schade...«
»Die Leute in Eldado scheinen ihn zu mögen — obwohl er auch zu den Snobs gehört.«
»Wenn Sie es schon so ausdrücken wollen — ich gehöre auch dazu.«
»Oh, verzeihen Sie. Ich habe gar nicht bedacht, daß Sie ja auch aus Rangimarie stammen. Sie sind so anders.«
»Lester ist auch anders. Er ist großartig. Bevor ich Craig kennenlernte, habe ich mir immer gewünscht, daß er mich nicht wie eine Fünfjährige behandelt.«
»Warum hat er das denn getan?«
»Er ist sechs Jahre älter als ich, und er sagt immer noch >kleine Beth< zu mir.«
»Beth gefällt mir viel besser als Elizabeth. Das klingt so imposant.«
»Sie werden Lester auch mögen. Abgesehen von Craig ist er der netteste Mann, den ich kenne. Schade, daß er nicht hierbleiben wird. Sie würden sich sicher gut mit ihm verstehen, Jo.«
»Danke, aber ich komme schon zurecht. Erzählen Sie mir von Ihnen und Craig!«
Das ließ sich Beth nicht zweimal sagen, und ihre Augen begannen zu strahlen. Als Christine in die Küche kam, lächelte sie verständnisvoll. »Ihr könnt euren Tee ja hier trinken. Ich nehme das Tablett mit, bleibt nur sitzen.«
Beth sah ihr erstaunt nach. »Ist deine Mutter immer so rücksichtsvoll?« Die beiden Mädchen waren inzwischen zum vertraulichen Du übergegangen.
»Meistens.«
»Meine Eltern werden wohl zeit ihres Lebens versuchen, mich herumzukommandieren. Aber ich werde Craig trotzdem heiraten.«
»Du hast Glück, daß du so genau weißt, was du willst. Das kann ich von mir nicht behaupten.«
»Ich wußte es schon, als ich ihn das erstemal im Laden von Eldado sah. Und er wußte es auch. Aber wir haben natürlich nichts davon gesagt. Erst als wir das heimliche Picknick veranstaltet haben, von dem meine Familie heute noch nichts weiß... Ja, ich bin mir ganz sicher. Oh, ich hätte >viel bessere Möglichkeiten< gehabt, wie mein Vater es nennen würde — Jungs aus guter Familie, die ich durch meine Schulfreundinnen kennengelernt hatte. Aber ich will Craig haben, und ich werde ihn auch bekommen. Bis zur Hochzeit möchte ich irgend etwas tun, vielleicht einen Schwesternkursus machen und mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Wir müssen mit dem Heiraten noch warten, bis Craig das Haus bauen kann. Vater wird
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