Das Jahr auf dem Lande
elegant über den Busch hinweg, und Jo ritt besänftigt zu Beth und Lester zurück.
»Gut gemacht!« meinte Lester beifällig. »Sie können wirklich reiten, das muß Ihnen der Neid lassen. Es ist besonders schwierig, ein Pferd zum Sprung zu zwingen, wenn es beim erstenmal verweigert hat. So, Beth, jetzt kannst du es versuchen.«
»Muß ich?« fragte sie zaghaft, und Jo merkte, daß das Mädchen nervös war. Sie wollte sich gerade aus dem Sattel schwingen und dazwischentreten, als Lester sagte: »Natürlich mußt du! Das haben wir doch immer so gehalten. Wenn ich einen Sprung geschafft habe, hast du es mir nachgemacht. Los!«
»Laß es lieber, Beth«, bat Jo. »Du bist für heute genug geritten.«
Aber Beth saß schon im Sattel. »Lester hat recht. So haben wir es immer gemacht — erst er, dann ich. Würdest du voranreiten, Jo?«
»Wenn es sein muß... Hoffentlich verweigert Rajah nicht wieder. Vorhin hätte er mich fast aus dem Sattel geworfen.«
Lester hielt ihr widerwillig zugute, daß sie wenigstens ehrlich war.
Diesmal verweigerte Rajah nicht, und auch Diamond enttäuschte seine Herrin nicht. Die beiden Mädchen ritten zu Lester zurück, und Beth rief strahlend: »So, jetzt versuche ich es noch einmal allein!« Auch der zweite Sprung gelang ihr makellos.
»Sie hätten sie nicht dazu zwingen sollen«, stieß Jo hervor, als Beth zurückgeritten kam. »Sie hatte Angst.«
»Wie lange kennen Sie meine Kusine?« fragte Lester gedehnt. »Ein paar Wochen, nicht wahr? Aber ich kenne sie seit neunzehn Jahren, und...«
»Natürlich kennen Sie sie viel besser als ich. Oh, wie ich solche Besserwisser hasse!«
»Schade«, meinte er lakonisch, und dann wandte er sich an Beth. »Das war sehr gut. Ich glaube, jetzt wirst du keine Schwierigkeiten mehr mit ihm haben.«
»Komm mit ins Haus, dann feiern wir meinen Erfolg bei Kuchen und Kaffee«, schlug Beth vor, aber Lester schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, aber ich habe einiges zu erledigen. Wenn ich diese Farm kaufe, und es sieht ganz danach aus, muß ich in ein paar Tagen abreisen.«
»Du wirst mir fehlen. Ein Glück, daß ich in Jo eine hilfreiche Freundin gefunden habe...«
»Wobei hilft sie dir denn?«
»Bei meinem Liebesleben. Die Medways sind mit den Trents befreundet, und ich kann mich jederzeit mit Craig auf >Gipfelkreuz< treffen.«
»Das ist wirklich sehr entgegenkommend von Miß Medway«, sagte Lester, und Jo verspürte das unvernünftige Bedürfnis, ihn zu schütteln. Beth hatte sich ein völlig falsches Bild von ihrem Vetter gemacht. Er war genauso arrogant wie die übrige Sippschaft, und das sagte sie Beth auch, als er gegangen war.
»Der hochherrschaftliche Lester! Du merkst das nicht, weil du an ihn gewöhnt bist. Aber er ist genauso ein Snob wie die anderen.«
»Unsinn! Jeder in Eldado kann dir sagen, wie sehr du dich irrst.«
Und sie sagten es ihr tatsächlich und bedauerten es sehr, daß er Rangimarie so bald wieder verließ. »Die einzige menschliche Seele da draußen, abgesehen von dem Mädchen, und Beth ist viel zu verängstigt, um aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen«, meinte Ted Jackson. »Übrigens, sag deinem Bruder, daß ich jetzt den Gebrauchtwagen habe, den er kaufen will.«
»Wozu denn das? Er kann doch jederzeit Adrians Wagen benutzen.«
»Er will den Wagen eures Vaters nicht auf dieser verdammten Straße zu Schanden fahren.«
Jo bezweifelte, daß es Adrian gefallen würde, einen alten, häßlichen Gebrauchtwagen hinter seinem eleganten Auto stehen zu sehen. Er war sehr großzügig und würde seinem Sohn mit Freuden einen anständigen Wagen kaufen. Es war wirklich Unsinn, so eine alte Karre zu erwerben, für die man andauernd Reparaturkosten bezahlen mußte.
Die Bekanntschaft mit den Holdens entwickelte sich zur Freundschaft, zumindest auf einer Seite. Als Christine, die gesellschaftliche Verpflichtungen nicht sonderlich ernst nahm, keine Anstalten traf, den Besuch zu erwidern, erhielt die Familie eine telefonische Einladung zum Tee. Christine überredete Robert dazu, ebenfalls in Erscheinung zu treten. »Damit sie nicht glauben, wir hätten dich erfunden.«
Als sie in dem großen alten Haus angekommen waren, zogen sich die beiden Mädchen bald zurück, was mit nachsichtigem Lächeln quittiert wurde. »Die jungen Leute haben sich ja immer so viel zu erzählen«, meinte Cynthia Holden.
»Erzähl mir doch mal von den anderen jungen Leuten in Rangimarie«, bat Jo, als sie mit Beth durch den Garten schlenderte. »Die
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