Das Jahr auf dem Lande
Sylvesters waren schon bei uns und haben ein Brechmittel namens Cyril mitgebracht. Die Severnes waren auch da, natürlich ohne seine Lordschaft Lester. Aber es muß doch noch andere Nachkommenschaft geben.«
»Nun, wie du weißt, habe ich einen Bruder, und die Sylvesters haben mehrere Söhne, aber die wirst du nicht kennenlernen. Sie sind weiß Gott wo in würdevollen Berufen tätig, und die Töchter haben ähnliche Typen geheiratet. Alles sehr korrekt... Kein Wunder, daß Vater bei dem Gedanken erschauert, einen simplen Farmer als Schwiegersohn zu bekommen. Aber zufällig ist Craig mehr wert als alle diese hochgestochenen Burschen zusammen.«
»Da hast du ganz recht. Dieser gräßliche Cyril und seine Lordschaft Lester können Craig nicht das Wasser reichen. Ist Lester übrigens schon abgereist?«
»Nein, er muß noch hierbleiben, weil sein Vater Bronchitis hat. Onkel Douglas war schon immer kränklich. Lester hat sich die Farm, die er eventuell kaufen will, noch gar nicht angesehen. Dabei kann er es kaum erwarten, der arme Kerl.«
»Wieso ist er denn arm?«
»Weil sein Vater ihm immer mit irgendwelchen Krankheiten in die Quere kommt und weil ihm womöglich jemand die Farm vor der Nase wegschnappt, wenn er nicht bald hinfährt. Oh, ein Erdbeben!«
Keines der beiden Mädchen war ernsthaft irritiert. Jo hatte seit ihrer Ankunft auf »Gipfelkreuz« schon zwei kleinere Erdbeben miterlebt und teilte den Standpunkt ihrer Mutter. »Es ist lästig wegen des Geschirrs, aber das ist auch schon alles.« Dieses Erdbeben war jedoch stärker, und Sheikh heulte verstört. Jo lachte. »Er mag keine Erdbeben, aber er bemüht sich jedesmal, tapfer zu sein.« In diesem Augenblick erschütterte ein heftiger Erdstoß den Boden, und der Hund warf seiner Herrin einen mitleiderregenden Blick zu, zog den Schwanz ein und ergriff die Flucht. Beth lächelte, als Jo ihren Hund in Schutz zu nehmen versuchte.
»Laß nur, er ist eben genauso allergisch gegen Erdbeben wie Großmutter. Sie fürchtet sich jedesmal schrecklich, aber sie will es nicht zugeben. Sie war dabei, als dieses schlimme Erdbeben in Napier so großen Schaden anrichtete. Ihre Schwester wurde unter den Trümmern des Hauses begraben, und als man sie gefunden hatte, war sie tot. Darüber ist Großmutter nie hinweggekommen.«
»Kein Wunder. Gibt es sonst noch etwas, wovor sie Angst hat?«
»Nur Gott, aber die Erdbeben haben Vorrang.« Sie lachten, doch dann wurden sie sofort ernst, als ein dritter, ziemlich starker Erdstoß den Boden erzittern ließ.
Im Haus herrschte nervöse Spannung. Beim ersten Erdstoß hatten alle außer der alten Mrs. Holden die Teetassen abgestellt. »Die Schränke!« rief Cynthia und lief aus dem Zimmer, während Christine und die anderen versuchten, kleinere Gegenstände in Sicherheit zu bringen. Sheikh stürmte ins Zimmer, rannte James Holden fast um, der zu Tode erschrak, und versuchte dann unter den Teppich zu kriechen. Erst jetzt bemerkte Robert, daß die alte Dame sehr blaß war und am ganzen Körper zitterte. Da nahm er ihr einfach die Tasse aus den Fingern und hielt ihre Hand fest. Sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. »Eine lächerliche Schwäche...« Aber sie klammerte sich an seiner Hand fest, bis der letzte Erdstoß abgeebbt war. Dann, als sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte, sagte sie: »Ich muß mich entschuldigen, aber auch gestehen, daß es mir sehr geholfen hat, Ihre Hand zu halten. Erdbeben sind meine große Schwäche, seit der Katastrophe von Napier. Nun, wo alles vorbei ist, hätte ich gern noch eine Tasse Tee, Cynthia. Die erste habe ich leider verschüttet.« Danach wurde nicht mehr über das Erdbeben gesprochen, und Sheikh schlich sich lautlos aus dem Zimmer, tief beschämt über seine Feigheit.
Auf dem Heimweg fragte Jo: »Wie hat es dir in Rangimarie gefallen, Chris?«
»Cynthia ist sehr nett, aber mit ihrem Mann kann ich nicht viel anfangen. Der arme Mann! Daß ihn unser Hund so aus dem inneren Gleichgewicht gebracht hat! Mußt du ihn denn immer mitnehmen, wenn wir einen Besuch machen, Jo?«
»Natürlich, und er hätte ja auch bei uns draußen bleiben sollen. Aber er hatte solche Angst vor dem Erdbeben. Ja, Mrs. Holden ist okay, und Beth auch. Und was hältst du von der Alten?«
»Sei nicht so respektlos! Ich finde die alte Mrs. Holden ganz reizend.«
»Und ich finde Beth reizend. Sie ist das gerade Gegenteil von mir — lieb und sanft, niemals kritisch, immer geneigt, alles wunderbar zu finden. Ich bin froh,
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