Das Jahr auf dem Lande
umherschleichen und verstohlene Blicke um sich werfen, und die Leute würden sich Gedanken machen. Mutter könnte es natürlich besser verbergen, aber es würde ihr schwerfallen, weil sie noch sechs Monate auf >Gipfelkreuz< ausharren muß. Also wissen nur wir drei Bescheid. So, und nun wollen wir Pläne machen.«
Die Pläne waren drastisch, aber vernünftig. Beth mußte zum Schein ihre Reise nach Christchurch vorbereiten. Ihre Eltern sollten einen Flug buchen. Sobald Craig die Heiratslizenz hatte, würde sie nach »Gipfelkreuz« reiten, um Jo zu besuchen.
Plötzlich schrie Beth gequält auf. »Aber mein Kleid! Ich kann doch nicht in Reithosen heiraten!«
»Du kannst auch in einem Bikini heiraten, obwohl das dem Standesbeamten vermutlich nicht recht sein würde«, sagte Jo. »Du könntest ja alle Sachen, die du für die Flitterwochen brauchst, nach und nach in den Laden der Beltons bringen, und ich leihe dir dann einen Koffer.«
»Aber alle meine anderen Sachen! Meine Eltern werden sie nicht rausrücken.«
»Unsinn! Sie können sie nicht behalten. Außerdem werden sie nicht so stur sein. Wenn du erst einmal verheiratet bist, werden sie sicher klein beigeben. Ich werde deine Sachen schon holen.«
»O Jo, wie tapfer du bist! Sie werden auch auf dich wütend sein, weil du mir geholfen hast, sie zu hintergehen.«
»Und darauf bin ich auch stolz. Es wird schon noch alles gut werden, Beth. Sobald du in einem hübschen Haus wohnst und >etabliert< bist, wie sie es nennen, werden sie sich mit dir aussöhnen.«
Sie besprachen ihren Plan gründlich, und dann sagte Beth: »Nur noch einen einzigen Menschen möchte ich einweihen, und er soll auch bei der Hochzeit dabeisein — Lester.«
»Seine Lordschaft?« rief Jo entsetzt. »Bist du verrückt? Er würde sofort deinem Vater Bescheid sagen.«
»Da schätzt du ihn aber völlig falsch ein. Er ist sehr nett, und ich liebe ihn wie einen Bruder. Er soll dabeisein, wenn ich heirate.«
Craig beschloß sich einzuschalten. »Ich kenne Lester, Liebling. Du hast recht, und Jo irrt sich. Aber es wäre trotzdem besser, niemanden einzuweihen — nicht einmal Lester.«
»Das finde ich auch«, sagte Jo. »Lester hat ein ausgeprägtes Ehrgefühl, und solche Leute sind gefährlich. Aber ich werde natürlich dabeisein. Wir fahren zusammen in Kusine Jane nach Avesville. Oh, sie wird so stolz sein. Stellt euch vor, eine Braut fährt in Kusine Jane vor dem Standesamt vor! Natürlich können wir sie nicht mit weißen Bändern schmücken. Das würde deplaciert wirken.«
»Und die Trauzeugen?« fragte Craig. »Außer dir brauchen wir noch einen, Jo.«
»Wir nehmen eben einfach einen Beamten oder einen Mann von der Straße.«
»Aber wenn Lester dabei wäre, könnte er doch der zweite Trauzeuge sein«, sagte Beth. »Darf ich es ihm wirklich nicht erzählen?«
»Sag es ihm nur, wenn du alles verderben willst«, erwiderte Jo.
Beth gab sich seufzend geschlagen.
Und so setzten sie ihren Plan in die Tat um, begannen Beths Sachen nach »Gipfelkreuz« zu schmuggeln. Sie hinterlegte jeden Tag ein Päckchen für Jo im Laden, einmal einen weißen Wollrock, den sie noch nie getragen hatte, am nächsten Tag den passenden Mantel, und Jo holte die Sachen und versteckte sie in ihrem Zimmer. Beth kam während dieser Zeit nur einmal nach »Gipfelkreuz«, weil es nicht so einfach war, den wachsamen Augen ihres Vaters zu entrinnen. Mit boshafter Freude betrachtete sie das weiße Ensemble. »Das haben Mutter und ich erst vor ein paar Tagen gekauft. Wenn sie wüßte, daß ich darin heiraten werde...«
»Das hast du gut gemacht. Bist du sicher, daß sie noch immer keine Ahnung haben?«
»Ganz sicher. Sie sind überzeugt, daß ich bald in Tante Jessicas Obhut sein werde, und die hält wahrscheinlich schon nach einem passenden Bräutigam für mich Ausschau.« Und Beth lachte so übermütig, wie sie es noch vor sechs Monaten nicht gewagt hätte. Jo hatte wirklich eine Rebellin aus ihr gemacht.
Als Beths Abflug nach Christchurch kurz bevorstand, verkündete Craig, daß nun alles bereit sei. Jo hatte erklärt, daß sie und Beth in Kusine Jane nach Avesville fahren würden, trotz der Proteste Craigs. »Kusine Jane ist das einzig richtige Auto für diese Straße. Du müßtest an deinem Ketten anbringen, und stell dir doch einmal einen Hochzeitswagen mit Ketten vor. Das ist irgendwie unheimlich.«
»Aber du könntest zur Straßenecke fahren, und ich hole euch dort ab. Dann bringen wir dich zu Kusine Jane zurück,
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