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Das Jahr auf dem Lande

Das Jahr auf dem Lande

Titel: Das Jahr auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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das schaffte ich nicht, und so begleitete ich sie aufs Standesamt. Einer von der Familie mußte ja dabeisein. Jo Medway und ich waren die Trauzeugen, und danach gab’s eine kleine Feier im Hotel, und danach fuhr das junge Paar in die Flitterwochen.«
    »Waren sie da schon bewußtlos oder nur wütend?«
    »Tante Cynthia zeigte gewisse Anzeichen von Schwäche, aber meine Großmutter erklärte ihr mit unnachgiebiger Strenge, dies sei nicht der richtige Zeitpunkt, um hysterisch zu werden oder in Ohnmacht zu fallen. Sie wollte Einzelheiten hören, und die erzählte ich ihr, auch jenes schreckliche Detail, daß das junge Paar im Arbeiterquartier wohnen wolle, bis das Haus fertig sei. Das war der härteste Schlag.«
    »Haben Sie auch erzählt, daß wir diesen Plan schon geschmiedet haben, als Beths Vater drohte, er würde sie zu Tante Jessica schicken? Daß ich in meinem Zimmer die Kleider versteckte, die Beth für Christchurch bekommen hatte, damit sie sie auf der Hochzeitsreise tragen kann?«
    »Die schäbigen Einzelheiten habe ich ihnen erspart. Sie werden mit der Zeit schon herausfinden, was alles verschwunden ist.«
    »Man braucht sie ja wohl nicht darauf hinzuweisen, wer an allem schuld ist.«
    »Das werden sie nie einsehen.«
    »Sie geben also mir und Beth die Schuld? Was haben sie denn über mich gesagt?«
    Er lachte. »Das überlasse ich Ihrer Phantasie. Und was mich betrifft, so will ich Onkel James zitieren. >Du hättest wie ein Mann zu mir kommen und mir alles sagen müssen.««
    »Dann wären Sie ja ein Verräter gewesen. Hat der Mann überhaupt kein Ehrgefühl?«
    »Doch, aber keinen Sinn für Humor. Sie werden eine Weile schmollen, aber spätestens in einem Jahr haben sie den ganzen Ärger vergessen und werden stolz auf Craigs Tüchtigkeit sein. Lassen Sie ihnen nur ein bißchen Zeit.«
    »Ich hasse diese Einstellung. Sie ist engstirnig und selbstsüchtig.«
    »Vielleicht, aber sie sind eben nicht an Rebellion gewöhnt. Wir anderen haben es auf die stille Art gemacht, sind weggegangen, ohne Aufsehen zu erregen. Mit Ihrer Mithilfe hat Beth eine spektakulärere Methode angewandt.«
    »Natürlich bin ich jetzt der Sündenbock.«
    »Klar. Es wäre weniger aufregend verlaufen, wenn Beth einfach darauf bestanden hätte, ihre Verlobung bekanntzugeben und nicht zu ihrer Tante zu fahren. Irgendwann hätten sie eingewilligt, und es wäre nicht zum Bruch gekommen. Aber es ist Ihnen gelungen, die Dinge zu komplizieren.«
    »So ist es recht! Schlagen Sie sich auf die Seite des Feindes! Und gestern waren Sie so nett.«
    »Gestern brauchten Sie Hilfe. Heute brauchen Sie die Wahrheit, und Sie können sie auch vertragen.«
    Ihre Wangen hatten sich gerötet, ihre Augen blitzten wütend. Doch dann lächelte sie plötzlich. »Ach, Unsinn... Sie haben das Donnerwetter über sich ergehen lassen und einen Großteil der Schuld auf sich genommen, und jetzt mache ich Ihnen auch noch Vorwürfe. Ich werde zu ihnen gehen und sagen, daß alles mein Werk war.«
    Wenn sie erwartet hatte, daß er ihr Beifall spenden würde, so sah sie sich getäuscht. Er zuckte nur mit den Schultern und sagte: »Wenn Sie sich unbedingt die Finger verbrennen wollen, tun Sie’s. Aber warten Sie ein oder zwei Tage, bis sie sich halbwegs beruhigt haben. Ich werde ihnen sagen, sie sollen die Folterwerkzeuge bereithalten, das wird die Prozedur verkürzen.«
    »Wie hat es Ihre Großmutter aufgenommen? Übrigens, sie ist ja gar nicht wirklich Ihre Großmutter, sondern die Mutter Ihres Onkels. Aber es ist wohl einfacher, sie Großmutter zu nennen.«
    »Wir könnten natürlich Ihrem Beispiel folgen und sie beim Vornamen anreden. Sie heißt übrigens Victoria. Aber da wir schon davon sprechen — sind Sie es nicht langsam leid, einen ständig daran zu erinnern, daß Sie Ihre Eltern mit den Vornamen anreden? Und wäre es manchmal nicht einfacher, Mutter und Vater zu sagen?«
    »Welch sanfte Ironie! Ich habe sie immer Adrian und Christine genannt, und meinem Vater gefällt das. Mutter läßt es schweigend über sich ergehen, wie so vieles andere. Aber um auf das Thema zurückzukommen, was hat Ihre Großmutter, die gar nicht Ihre Großmutter ist, gesagt?«
    »Was haben Sie denn erwartet? Sie gab ein paar ätzende Bemerkungen über die junge Generation von sich und machte mir Vorwürfe, weil ich ihnen nicht die Chance gegeben hätte, eine Einladung zur Hochzeit abzulehnen. Dann lachte sie boshaft und sagte: >Alles deine Schuld, James. Du konntest oder wolltest die

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