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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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anfingen zu randalieren.
    »Wenn’s nach mir ginge, hätten diese Arschlöcher alle Hausverbot«, sagte Mordis. »Steckt doch kaum noch was Menschliches unter den ganzen Narben. Aber bei den Jungs zahlt uns SeksMart ’ne fette Sonderprämie.«
    Also flößten wir ihnen Drinks und Pillen ein, wir schaufelten das Zeug geradezu in sie rein. Sie hatten gerade angefangen, was Neues zu probieren, kurz nachdem ich in die Klebezone kam – OrgassPluss. Stressfreier Sex, totale Befriedigung, bläst einen total weg, plus hundert Prozent Sicherheit – als das wurde es verkauft. Scales-Mädchen durften auf der Arbeit keine Drogen nehmen − wir waren ja nicht zu unserem Vergnügen hier, sagte Mordis -, aber diese Pille war was anderes, denn wer sie nahm, brauchte keinen Biofilmstrumpf, und in dem Fall legten viele Kunden was drauf. Das Scales durfte OrgassPluss im Auftrag des Rejuv-Konzerns testen, es wurde also nicht gerade wie Bonbons in die Menge geworfen − es war hauptsächlich für die Top-Kunden gedacht −, ich war jedenfalls ganz wild darauf, es auch mal auszuprobieren.
    Painball-Abende brachten immer ein fettes Trinkgeld, wobei keine von uns, also von den regulären Scales-Mädchen, die neuen Veteranen bearbeiten mussten, schließlich waren wir ausgebildete Künstlerinnen, und wenn wir zu Schaden kamen, konnte das teuer werden. Für die reine Naturarbeit wurden Zeitarbeiter ins Haus geholt − geschmuggelte Europroleten, Tex-Mexikaner, Asian Fusions oder Redfish unter achtzehn, alle von der Straße, denn die Painball-Typen wollten nackte Haut, und wenn sie fertig waren, galt man als angesteckt, bis das Gegenteil bewiesen war, und das Scales wollte kein Klebezonengeld in Tests oder Behandlungen für diese Mädchen stecken. Ich habe nie jemanden zweimal gesehen.
    Sie kamen zur Tür rein, aber ich glaube nicht, dass sie je wieder rauskamen. In einem übleren Club wären sie für die Typen mit den Vampirfantasien benutzt worden, aber so was war ja ohne Mund-und Blutkontakt gar nicht machbar, und wie gesagt, Mordis wollte alles sauber halten.
    An dem Abend hatte einer der Painball-Typen Starlite auf dem Schoß, und die machte ihre typischen Verdrehungen. Sie hatte ihr Pfaureiher-Kostüm mit dem Federkopfputz an, und vielleicht war sie von vorne der Hammer, aber aus meiner Perspektive sah es aus, als wenn der Typ von einem riesigen blaugrünen Staubwedel bearbeitet würde − wie ’ne Waschanlage ohne Wasser.
    Der zweite Typ starrte mit offenem Mund zu Savona hoch, den Kopf so weit in den Nacken gelegt, dass er fast im rechten Winkel zu seiner Wirbelsäule stand. Wenn sie ausrutscht, bricht sie ihm das Genick. In dem Fall, dachte ich, wird er nicht der Erste sein, der aus der Hintertür vom Scales geschafft und ohne Klamotten auf einem leeren Grundstück abgeladen wird. Der Typ war schon älter, mit Halbglatze, Pferdeschwanz und die Arme voller Tattoos. Irgendwie kam er mir bekannt vor − vielleicht ein Stammgast −, aber so genau konnte ich ihn auch nicht erkennen.
    Der dritte war gerade dabei, sich in die Versenkung zu saufen. Vielleicht wollte er einfach nur vergessen, was er in der Painball-Arena getan hatte. Ich selbst guckte mir kein Painball an. Es war einfach zu widerlich. Ich wusste nur davon, weil es immer ein Thema war bei den Männern. Schon Wahnsinn, was die einem so erzählen, vor allem dann, wenn man von Kopf bis Fuß mit grünen Schuppen bedeckt ist und sie das Gesicht nicht erkennen können. Für die muss es sein, als unterhielten sie sich mit einem Fisch.
    *
    Sonst war nicht viel los. Ich versuchte, Amanda auf ihrem Handy zu erreichen. Aber sie ging nicht ran. Vielleicht schlief sie schon, eingemummelt in ihren Schlafsack, irgendwo draußen in Wisconsin. Vielleicht saß sie am Lagerfeuer, und die beiden Tex-Mexikaner klimperten auf ihren Gitarren und sangen dazu, und Amanda sang mit, sie konnte ja Tex-Mex. Vielleicht stand der Mond am Himmel, und es heulten ein paar Kojoten in der Ferne wie in einem alten Film. Ich hoffte es.
     
    Mein Leben veränderte sich, als Amanda bei mir einzog, und in der Woche von Sankt Euell, als ich fast dreizehn war, veränderte sich nochmal alles. Amanda war älter: Sie hatte schon einen richtigen Busen. Komisch, daran die Zeit zu messen.
    In diesem Jahr sollten Amanda und ich − und auch Bernice −, zusammen mit den älteren Kindern an Zebs Raubtier-Beute-Vorführung teilnehmen, bei der wir echte Beute essen mussten. Aus meiner Zeit im HelthWyzer-Komplex hatte ich

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