Das Jahr der Flut
Meditationshaltung neben einen großen Tomatenstrauch, der im Mondschein wie eine verzerrte, laubbehangene Tänzerin oder ein groteskes Insekt aussah.
Bald begann die Pflanze zu leuchten und mit ihren Ranken zu kreisen, und die Tomaten pochten wie Herzen. Die Grillen in der Nähe sprachen in Zungen: quarkit quarkit, ibbit ibbit, arkit arkit …
Nervengymnastik, dachte Toby. Sie schloss die Augen.
Warum kann ich nicht glauben?, fragte sie in die Dunkelheit hinein.
Hinter ihren Lidern sah sie ein Tier. Es war goldfarben, mit sanftmütigen grünen Augen und einem Hundegebiss und lockiger Wolle. Es öffnete den Mund, sprach aber nicht. Stattdessen gähnte es.
Es blickte sie unverwandt an. Sie blickte unverwandt zurück. »Du bist das Resultat einer sorgfältig kalibrierten Mischung aus Pflanzengiften«, sagte sie zu ihm. Dann schlief sie ein.
33.
Am nächsten Morgen kam Adam Eins vorbei, um Toby nach ihrer Vigil zu fragen. »Hast du eine Antwort bekommen?«, fragte er sie.
»Ich habe ein Tier gesehen«, sagte Toby.
Adam Eins war entzückt. »Was für ein schönes Resultat! Welches Tier? Was hat es zu dir gesagt?« Aber noch ehe Toby antworten konnte, sah er über ihre Schulter hinweg. »Da kommt ein Bote«, sagte er.
In ihrem noch leicht vernebelten Zustand glaubte Toby, es sei von einem Pilzengel oder Pflanzengeist die Rede, aber es war nur Zeb, schwer atmend von seinem Aufstieg über die Feuertreppe. Er steckte noch in seiner Plebslerverkleidung: schwarzer Flederweste, schmuddeligen Jeans, abgewetzten Solarbiker-Stiefel. Er sah verkatert aus.
»Hast du die Nacht durchgemacht?«, fragte Toby.
»Du ja anscheinend auch«, sagte Zeb. »Zu Hause krieg ich wieder die Ohren lang gezogen − Lucerne hasst es, wenn ich nachts arbeite.« Was ihn jedoch nicht allzu sehr zu bekümmern schien. »Willst du alle zusammentrommeln?«, fragte er Adam Eins. »Oder die schlechten Neuigkeiten erst selbst hören?«
»Erst die schlechten Neuigkeiten«, sagte Adam Eins. »Für die Allgemeinheit werden wir sie vielleicht ein wenig redigieren müssen.« Er nickte in Tobys Richtung. »Sie verfällt nicht in Panik.«
»Alles klar«, sagte Zeb. »Also Folgendes.«
Seine Quellen seien inoffiziell, sagte er. Um der Wahrheitsfindung willen habe er sich aufgeopfert und eine Nacht lang den Schlangenmädchen im Scales and Tails zugesehen, wo sich die CorpSeCorps-Typen nach Dienstschluss herumtreiben. Den CorpSeCorps-Männern komme er nur ungern zu nahe, sagte er − er habe ja eine gewisse Vorgeschichte, er könnte trotz der Veränderungen, die er an sich vorgenommen hatte, erkannt werden. Aber er kenne einige der Mädchen, also habe er sie nach Gerüchten ausgehorcht.
»Du hast sie bezahlt?«, sagte Adam Eins.
»Alles hat seinen Preis«, sagte Zeb. »Aber es war im Rahmen.«
Burt habe in der Tat im Buenavista-Haus Gras angebaut, sagte er. Die übliche Methode − unbewohnte Wohnungen, verdunkelte Fenster, abgezapfter Strom. Vollspektrum-Leuchtmittel, automatisches Bewässerungssystem, alles vom Feinsten. Aber es war nicht nur normales Skunkgras, nicht mal Westküsten-Supergras: Es war ein stratosphärischer Genspleiß mit Peyote-Genen, Psilocybinen und sogar einem Anteil Ayahuasca − dem guten Anteil, wobei sie denjenigen, weswegen man sich die Seele aus dem Leib kotzen musste, noch nicht ganz hatten eliminieren können. Viele, die das Zeug probiert hatten, würden einen Mord begehen, um mehr davon zu bekommen, und noch wurde nicht viel davon gezüchtet, also brachte es auf dem Markt Höchstpreise.
Natürlich steckte das CorpSeCorps dahinter. Die HelthWyzer-Labore hatten das transgene Kraut entwickelt, die CorpSeCorps-Männer waren die Großhändler. Wie alles Illegale ließen sie die Sache über die Plebsbanden laufen. Sie hatten es für besonders witzig gehalten, einen Adam als Strohmann aufzustellen und den Anbau im gärtnereigenen Gebäude zu betreiben. Sie hatten Burt gutes Geld gezahlt, aber dann hatte er sie linken und in die eigene Tasche wirtschaften wollen. Was ihm sogar gelungen sei, sagte Zeb, bis das CorpSeCorps einen anonymen Hinweis erhielt, der rückverfolgt werden konnte zu einem Telefon in einem Müllcontainer. Ohne DNA-Spuren. Eine Frauenstimme. Eine sehr genervte Frauenstimme.
Das muss Veena gewesen sein, dachte Toby. Woher hatte sie das Telefon? Es hieß, sie habe sich vom CorpSeCorps auszahlen lassen und mit Bernice an die Westküste abgesetzt.
»Wo ist er jetzt?«, fragte Adam Eins. »Adam Dreizehn?
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